Während ich mich hier durch den Regen kämpfe und über die niedrigen Temperaturen ärgere, müssen die Finnen nicht mal ihre Sauna betreten, um zu schwitzen. Ich hoffe, das Wetter bleibt so gut...
Zwar kann ich die Tage noch nicht an zwei Händen abzählen, aber ich habe den Großteil meiner To-do-Liste abgehakt.Morgen muss ich nur noch die Jurten für das Abschlussfest aufbauen und dann heißt es am Sonntag, mich von den meisten zu verabschieden.
Allmählich überkommt mich das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben. Zeit für meine Freunde, Familie,Tiere, Gedanken, Wünsche und Träume. Dank meines Vaters sehe ich das mit der Familie dann doch etwas entspannter und würde manchmal am liebsten sogar früher abreisen - warum habe ich ihm bloß erzählt, wohin mich die Reise verschlagen wird?
Mehrmals am Tag teilt er mir mit, eine Wohnung in Finnland gemietet zu haben, dort eine neue Beratungsstelle zu eröffnen, oder dem finnischen Reiseclub beigetreten zu sein. Ja, hätte ich doch bloß ein Land in weiter Ferne gewählt...
Mich hätte neulich fast der Ehrgeiz gepackt und obwohl ich ihm mit größter Mühe gerade noch so entkommen konnte, besteht mein finnischer Wortschatz nun aus unglaublichen zehn Wörtern. Schließlich komme ich mit "Sauna" und "Hei!" allein, nicht weit. Obwohl, ein Versuch wäre es wert!
Nebenbei festgestellt habe ich, dass ich mich wohl lieber nicht als Rico vorstellen sollte, denn das Wort "Riekko" bedeutet "Schneehuhn". Und "Rike" "Vergehen/Delikt". Hoffentlich bedeutet "Rika" wirklich nur "reich", obwohl das auch wieder überheblich wirkt. Ich suche mir wohl lieber einen neuen Namen...
Vielleicht sollte ich mir auch mal einen Verteidigungstanz gegen die Mücken überlegen. Zum Glück habe ich heraus gefunden, dass Mücken eher auf den Geruch abfahren (Yeah, meine Mückenstiche beweisen, ich rieche gut^^) und nicht auf meinen Schokowahn, der mein Blut süßer machen könnte - bisher fand ich die letztere Theorie ziemlich überzeugend. Stinkend möchte ich trotzdem nicht durch das Land laufen... Letztendlich läuft es wohl auf Mückenspray hinaus.
Wie kann man eigentlich erwartungslos in das Land reisen, wenn ständig Menschen ihre Shortstories auspacken und mir so einiges erzählen? Sollte ich echt danach gehen, was ich bisher alles erfahren habe? Der Großteil der Vorurteile wirkt eher abschreckend ("Ein finnischer Mann spricht, lacht und weint nicht" - wehe es ist tatsächlich so!). Ich versuche das alles nicht in mich hineinzulassen und lass mich überraschen, zumindest ist das mein Plan.
Besonders praktisch finde ich, dass ich mir dank Streetview mein zukünftiges Zuhause "Savonlinna" bereits ansehen konnte. Das Gebiet in dem ich mich befinden werde, gefällt mir sehr gut. Da stehen sehr viele Birken herum und ganz kleine niedliche Häuser, die mich an Ikea und schwedische Fotografien von Hütten erinnern.
Ende des Monats werde ich mich allmählich mit dem Kofferproblem auseinander setzen. Mir wird es gewiss nicht leicht fallen, mich auf 20 Kilogramm Gepäck zu beschränken, wenn auf mich 8 Jahreszeiten zu kommen. Zum Glück sendet meine Familie mir einiges noch nach, sonst komme ich mehr erfroren als lebendig zurück. Oder ich werde im Winter 2012 hier in T-shirts herum laufen, während sich alle anderen Deutschen bibbernd in ihre dicken Daunenjacken quetschen. Dieser Gedanke gefällt mir irgendwie...