Freitag, 17. August 2012

Abschlussbericht

Nun zum Abschluss des Jahres, sollte ich einen Abschlussbericht mit Beantwortung der Leitfragen verfassen, den ich euch auch zur Verfügung stellen möchte.

 
Das Jahr ist nun vorbei und ich blicke noch einmal zurück auf den Freiwilligendienst.
Als ich nach Finnland ging, hatte ich wenige Erwartungen und das machte es mir leichter, mich an die neue Kultur zu gewöhnen. Finnland, dieses Land liegt gar nicht so weit entfernt von Deutschland und doch überkam mich oft das Gefühl, Deutschland und Taiwan verbinden mehr Gemeinsamkeiten als mit Finnland. Das fiel mir in den Gesprächen mit der anderen Freiwilligen aus Taiwan auf. 
 
Zusammen erlebten wir vieles und verglichen dies häufig mit unseren Kulturen. Es gab viele Punkte, die mir bewusst machten, in einer anderen Kultur zu leben. Auf dem Abschlusscamp der Partnerorganisation erkannte ich, dass ich tatsächlich am Kulturschock litt, eine Tatsache, die ich nie erwartet hätte. Wäre ich nach Indien oder Kenia geflogen, hätte ich das zugeben können, aber in Finnland? 

Vielleicht lag es auch nicht an dem Land oder dieser Kultur selbst, sondern an den anderen Kulturen, mit denen ich mich im Projekt beschäftigte.
Das wäre eine perfekte Ausrede gewesen, die leider nicht anwendbar ist. Denn mir wurde klar, dass auch Finnland erhebliche Unterschiede zu Deutschland aufweist.
Am meisten machten mir die Verhaltensweisen in der Gesellschaft zu schaffen. „Ein Finne spricht nicht mit Fremden, geht dafür jedoch nackt mit ihnen in die Sauna.“

Ich fand in den letzten Monaten doch noch ein paar finnische Freunde. Zusammen kochten wir und gingen saunieren. Die Gespräche blieben stets an der Oberfläche, wurden diese etwas intimer, herrschte betretenes Schweigen und jeder guckte zu Boden. 
 
Als Antwort darauf, schränkte ich meine Gesprächsthemen ein und passte mich an. Einmal geschah es, dass eine Freundin zu weinen begann. Statt sie in den Arm zu nehmen und zu trösten, reagierten die Finnen anders als ich es aus meiner Gesellschaft kannte. Sie begannen sich zu distanzieren, im wahrsten Sinne des Wortes setzten sie sich weg. Nur eine blieb und riss unpassende Witze.
Das verwunderte mich sehr, dachte ich doch zuvor, überall in Europa trösten die Menschen auf ähnliche Weise.
Der Alkohol spielt eine wichtige Rolle für die Finnen und bewirkt einiges Positives. Besonders die Männer treten wortkarg und schüchtern auf, sobald sie angetrunken werden, beginnen sie von sich zu erzählen. Mitte Juli war ich auf einem Rockfestival und begegnete vielen betrunkenen Menschen. Entgegen all meiner Erfahrungen aus Deutschland, wurde ich nicht ein einziges Mal angepöbelt, noch sah ich eine Schlägerei. Im Gegenteil, die Menschen kamen auf mich zu um zu plaudern, sie unterhielten sich freundlich mit Fremden. Es war harmonisch.
Mittlerweile ist mir das Land ans Herz gewachsen und ich habe eine Menge gelernt. Ich gehe alles viel gelassener und ruhiger an, verspüre keinen Zeitdruck mehr. Ich kann in Ruhe zu einem Termin gehen, schlendern und den Weg genießen und komme trotzdem pünktlich an. Außerdem plane ich meinen Alltag nicht mehr, sondern gucke was passiert und worauf ich Lust habe. Erstaunlicherweise lässt sich das mit meinen Pflichten wunderbar kombinieren. Die finnische Ruhe hat meine deutsche Ruhelosigkeit gänzlich ausradiert. Während ich auf dem Steg am See saß und meine Seele baumeln ließ, konnte ich den Moment genießen und verspürte nicht mehr das Bedürfnis über Anstehendes nachzudenken und die Pause zu unterbrechen. Ich spürte den Wind, wie er mich sanft streifte, roch den Duft des Wassers und der Pflanzen, sah wie sich die Fische bewegten und hörte das Zwitschern der Vögel.

Das Auslandsjahr hat mir so vieles gegeben und beigebracht, ich habe mich selbst ein großes Stück näher kennengelernt. Meine innere Stimme ist lauter geworden, den Mut „nein“ zu sagen, trage ich endlich in mir. Bevor ich aufgebe, probiere ich erst mal ob es klappt oder mir zusagt. Ich höre mehr auf mein Bauchgefühl, meine Intuition und stehe zu meinen Entscheidungen.

Ich habe in der kurzen Zeit eine Menge erlebt und dennoch die Frustration und Enttäuschung nicht gewinnen lassen. Fünf Abschiebungen und zwei Selbstmordversuche neuer Freunde, liegen hinter mir und haben mich erkennen lassen, dass ich nur einmal lebe und das Leben zu kurz ist, um alles aufzuschieben und vorläufig unversucht zu lassen.

Das Opisto und alles was dazu gehört, haben mir viele Dinge beigebracht. Ich sehe nicht mehr die Hautfarbe, sondern die Person als Ganzes. Das ist mir sehr wichtig gewesen, denn ich möchte niemanden auf eine oberflächliche Sache reduzieren und verurteilen. Des Weiteren regen mich seit kurzen Verallgemeinerungen auf, obwohl ich selbst in diesem Text welche genannt habe.

Mir wurde die Möglichkeit gegeben, die verschiedenen Bereiche des Projekts auszuprobieren und mir selbst Aufgaben zu suchen. So arbeitete ich viele Stunden in der Küche als Tellerwäscherin und machte diese Arbeit mit Begeisterung, denn ich konnte bei der monotonen Arbeit abschalten und entspannen.
Ich lernte 25 Stunden pro Woche Finnisch und erreichte das A2 Sprachlevel, welches mir die Arbeit in der Rezeption des Hostelbereiches ermöglichte. Dazu gehörten neben dem Kioskverkaufes auch das Telefonieren mit Kunden und Buchungen ausführen, das Erfüllen von Wünschen und die Auseinandersetzungen mit unzufriedenen Gästen.

Hierbei zeigte sich mein Talent fürs Organisieren und Planen.
Während ich den Reinigungsfachkräften half, entwickelte ich Respekt für diese Arbeit und einen besonders großen Schritt machte ich, als ich zur Lehrerassistentin wurde. Einmal hielt ich eine Englisch- und ein anderes Mal eine Finnischstunde ab, die ich zuvor selbst plante und ohne einen offiziellen Lehrer durchführte. Ansonsten unterstützte ich die Lehrer in ihren Unterrichtsfächern, die auf Finnisch abgehalten wurden.
Meine Angst, vor anderen Menschen Klavier zu spielen, überwand ich als man mich bat, Klavierunterricht zu geben. Hierbei blühte ich auf, was mich sehr überraschte. Es brachte mir unheimlich viel Spaß andere zu unterrichten, über meine Geduld und Anpassungsfähigkeit war ich besonders verblüfft.
Während dieser Arbeit, übernahm ich die Leitung der Schulband und brachte fünf sehr unterschiedliche und zeitweise unmotivierte Schüler zusammen, wobei ich ein großes Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen zeigen musste.

Ich muss mir eingestehen, dass ich nicht in der Lage bin, Menschen zu verändern oder den Ort zu beeinflussen, dennoch habe ich mich eingebracht und mein Bestes gegeben. Ich hinterlasse lediglich Spuren, die hoffentlich nicht in Vergessenheit geraten. Allerdings kann ich mich mit dem Gedanken anfreunden, den ein oder anderen Menschen geholfen zu haben, so wie sie es für mich taten.
Mich haben einige Personen berührt, meinen Horizont erweitert und einen kleinen Wandel in mir bewirkt. Und das habe ich vermutlich auch in einigen von ihnen hervorgerufen.
Anfangs verglich ich vieles mit Deutschland und meiner Kultur. Milch zum Mittagessen? Ist das normal?
Warum gucken mir die Menschen nicht in die Augen, wenn ich an ihnen vorbei gehe? An Sylvester standen die Gruppen in Meterabständen zueinander, niemand kreischte, niemand lachte laut auf. Für mich persönlich war absolut keine Stimmung vorhanden. Hatte ich die Atmosphäre missverstanden, nur weil sich nicht Fremde in den Armen lagen und zusammen das neue Jahr feierten? Konnte diese bedächtige Stille nicht auch einen gewissen Charme widerspiegeln? Ich brauchte lange, bis ich schweigen und die Ruhe genießen lernte. 
Mittlerweile erachte ich es nicht mehr als schrecklich unhöflich, wenn auf mein Wort keines des Gegenüber folgt. Ich suche nach keinen Gesprächsthemen, sobald eine Gesprächspause eintritt. Ich gehe auf Menschen zu, spreche sie gezielt an, wenn ich Kontakt aufnehmen möchte. So vieles ist anders in Finnland, im Vergleich zur deutschen Kultur. Viele gingen in Alltagskleidung in Bars, es machte nichts aus, unfrisiert zum Supermarkt zu gehen.
Das Projekt in dem ich war, ist ein ganz besonderes. Es ist abwechslungsreich und fördert die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Ich probierte die unterschiedlichen Bereiche aus und blieb bei denen, die mir Spaß brachten. Meine taiwanische Kollegin hatte sich kurz vor der Anreise eine gute Spiegelreflex-Kamera gekauft und lernte über das Jahr, damit umzugehen. Sie fotografierte auf Festen, zu anderen Gelegenheiten, bearbeitete die Fotos und machte daraus Projekte. 

Ich lernte Finnisch und wandte die Sprachkenntnisse im Umgang mit den Touristen, Studenten und Angestellten an, meine Musikkenntnisse vermischte ich mit meinen Führungserfahrungen und setzte sie in der Schulband und im Klavierunterricht um. Hin und wieder wurde meine Kreativität gefragt, die ich einsetzen durfte.
Ich bin mir sicher, dass die Eigenschaft, sich an kleinsten Dingen und Aufgaben zu erfreuen, sehr wichtig für das Freiwilligenjahr ist. Mit Begeisterung schnitt ich tausende Äpfel, fegte die Sporthalle und half als Lehrerassistentin. Wer mit zu großen Erwartungen kommt, wird enttäuscht sein. Ich kam mit sehr wenigen Erwartungen her und wurde häufig überrascht, wie viel Vertrauen und tolle Aufgaben, auf mich zu kamen.

In meiner Zeit habe ich den Menschen, die am Boden waren, geholfen aufzustehen und nach vorne zu blicken. Ich hörte ihnen zu, spendete Trost und bot meine Freundschaft an. Das war für einige Studenten sehr wichtig. Den Angestellten begegnete ich stets mit einem Lächeln und Aufgeschlossenheit, ich half auch außerhalb meiner flexiblen Arbeitszeiten, wenn Hilfe gebraucht wurde.

Ich wohnte in einem Haus auf dem Projektgelände. Das Zimmer bestand aus zwei uralten Metallbetten und einem kleinen Schreibtisch. Bis zur Stadt waren es ungefähr sechs Kilometer, das ganze Jahr über hielt ich mich dort nur selten auf. Meine Freunde lernte ich im Opisto kennen.
Dieses Jahr hat meine Erwartungen übertroffen, ich hatte mir zwar erhofft, in der Stadt Freizeitaktivitäten auszuüben und Freunde zu finden, letztendlich habe ich eine Alternative auf dem Projektgelände gefunden, mit der ich zurecht kam. Die Betreuung der Sendeorganisation und der, die vor Ort tätig war, benötigte ich selten, doch ich fühlte mich unterstützt, sobald ich Unterstützung brauchte.

Was mich betrifft, hätte ich gleich am Anfang des Jahres (im September) Freunde in der Innenstadt suchen können. Das bereue ich ein wenig. Ansonsten war alles wunderbar.
Ich hoffe, ich kann all das Erlernte auf den deutschen Alltag und meine Zukunft anwenden, mit anderen Menschen meine Erfahrungen teilen und Denkanstöße geben.
In diesem Jahr bin ich weit über mich hinausgewachsen und habe eine Menge dazu gelernt.

Mittwoch, 1. August 2012

Abschied

Der August beginnt heute und hinter mir liegt ein ganzes Jahr.
Übermorgen reise ich ab und lasse Finnland vorübergehend hinter mir. Ich möchte mich herzlich bei euch allen bedanken. Mir hat das Schreiben sehr viel Spaß gebracht und zu meinem Erstaunen, wurde der Blog rund achttausendmal besucht. Eine ziemlich große Zahl, die ich nicht erwartet habe.

In mir steigt nun die Reiselust, das wird ein richtiger Spaß mit zwei großen Koffern von Savonlinna zum Flughafen zu reisen.
Doch zuvor wird es Zeit für einen kleinen Rückblick.

Letzten August kam ich im regnerischen Helsinki an, kannte bis auf zehn Begriffe, keines der finnischen Wörter. Nach zwei Tagen, die ich in finnischen Kneipen verbrachte, war ich zwei Wochen lang in der Nähe von Lappeenranta mit anderen ausländischen Freiwilligen. Wald, See, Einsamkeit, erster Kulturschock.
Danach begann mein Arbeitsalltag, ich traf viele Menschen aus zwanzig verschiedenen Nationen, lernte vieles über deren Kulturen, gewöhnte mich an die Eigenheiten und merkte, dass es nicht so einfach ist, finnische Freunde zu finden. Im November ließ mich die ständige Dunkelheit in ein tiefes Loch fallen. Den Winter verbrachte ich mit Sauna, Skifahren und in meinem Zimmer. Ich lernte eine Menge Finnisch, besuchte für eine Woche Deutschland und flog nach Spanien, um Sonne zu tanken. Mit dem Frühling kam meine Fröhlichkeit wieder, ich erkundigte die Waldregion um Savonlinna herum, besuchte andere Freiwillige, fand finnische Freunde und lernte eine Menge über mich selbst.
Zusammengefasst kann ich sagen: Dieses Auslandsjahr war die beste Entscheidung!
Lebt eure Träume, nehmt eure eigenen Wünsche und Bedürfnisse ernst. Wir leben nur einmal und wissen nie, wann sich das Leben dem Ende neigt.
Manchmal gehört dazu Mut, einen neuen Schritt zu wagen. Das darf euch nicht davon abhalten, es zu probieren.

An dieser Stelle verabschiede ich mich und werde hier vielleicht demnächst meinen offiziellen Abschlussbericht, den ich für den IJFD schreiben soll, hochladen.

Liebe Grüße
Rica

Donnerstag, 12. Juli 2012

Freikarten

Noch eine halbe Stunde bis ich abgeholt werde. Leicht panisch renne ich durchs Haus. Duschen? Nee das schaff ich nicht mehr, oder doch? Ich entscheide mich dagegen, stürme in mein Zimmer. Schminke, wo hatte ich die bloß hingelegt? Im Kleiderschrank und den beiden Koffern ist sie nicht, auch nicht im Chaos, das sich auf dem zweiten Bett breit machte. Schublade! Ich pudere meine Nase, schminke meine Wimpern.
Es ist schwül und warm in meinen Zimmer, einzelne Gewitterwolken ziehen am Fenster vorbei. Kurz darauf steht das Auto vor dem Haus, ich stürze hinaus und begrüße Anne, eine Arbeitskollegin. Wie geht es dir, fragt sie mich. Wir halten den üblichen Smalltalk, ich gucke währenddessen in meiner Handtasche nach ob ich an die Konzertkarte gedacht habe, welche ich geschenkt bekommen habe.

In der Stadt suchen wir verzweifelt einen Parkplatz, die Zeit rennt und die anderen nehmen uns die Parkmöglichkeiten weg. Anne fährt über die große Brücke an der Burg vorbei, sie wisse wo sie hinfahre, meint sie. Endlich kommt das Auto zum Stehen, wir steigen aus und laufen die geteerte Straße hinauf, ich klettere mit hohen Schuhen über Bahngleise und eine Absperrung. Die Zugbrücke ist kürzer als die für die Autos. Die restlichen zweihundert Meter führen über einen Kieselweg, ziemlich spaßig mit den falschen Schuhen. Trotzdem lasse ich mir nichts anmerken, versuche möglichst elegant die Strecke zu meistern.

Vor Olavinlinna, so heißt die berühmte mittelalterliche Burg, stehen unzählige Menschen Schlange. Sie unterhalten sich leise, kaum ein Ton dringt zu mir vor. Etliche haben richtig schöne Kleider und Anzüge an, ich fühle mich underdressed. Die meisten sind locker dreißig Jahre älter als ich. Es dauert eine halbe Stunde, bis wir endlich in der Burg und an unseren Plätzen sind. Ich nehme in der siebten Reihe, ganz weit vorne neben der Bühne, Platz. Ungefähr 2500 Sitzplätze stehen zur Verfügung, ein Raunen geht durch die Menge, als es endlich dunkel wird. Zwei lang- und ein kurzhaariger betreten mit ihren Cellos in der Hand die Bühne. Das Publikum klatscht vornehm. Von hinten kommt ein weiterer, der sich hinter Schlagzeug setzt. Es geht los. Der Saal wird in grünes und später in rotweißes Licht getunkt. Die Cellisten spielen einige Musikstücke, die Menge lauscht. Endlich taucht ein Sänger auf, erste Menschen fangen an ihre Köpfe hin und her zu bewegen. Eine tolle Show beginnt, der Schlagzeuger schleudert die Sticks durch die Luft und fängt sie wieder auf. Die Cellisten spielen in allen erdenklichen Weisen, reißen sich die T-Shirts von Leib. Die Frauen kreischen verzückt. Mal wird das Cello über den Kopf gehalten und bespielt, mal liegt es fast am Boden. So als wären diese Instrumente E-Gitarren. Fehlt nur, dass einer von ihnen seines zerschmettert. Dazu Headbanging, die langen Haare fliegen durch die Gegend.

Pause.

In allen Richtungen quetschen sich die Leute zu den Getränkeständen. Die Unterbrechung ist fast vorbei, als ich endlich frische Luft schnappen kann. Mit einem Gong werden wir zurück zu unseren Plätzen geschickt.

Apocalyptica kommt zurück auf die Bühne, dieses Mal scheinen die Finnen endlich Feuer gefangen zu haben. Sie trampeln mit den Füßen und klatschen laut. „Wir wurden gefragt, ob wir statt Metall auch Orchestermusik beherrschen“, erzählt einer der Cellisten.
Sie setzen sich auf die Stühle, drei andere Männer betreten die Bühne. In den Händen halten sie Trompete, Horn und Posaune. Es ist unbeschreiblich grotesk, wie drei Männer in typischem Metall-Outfit, Bach und Wagner spielen. Der Schlagzeuger begleitet auf dem Kontrabass.

Die Menge tobt. Standing Ovations folgen. Jeder im Publikum steht und klatscht, jubelt und pfeift. Ab da ist selbst der Letzte ergriffen, wir tanzen zu den nächsten Stücken, gecoverte Versionen anderer Bands folgen. Nach einer Weile setzen wir uns alle wieder, bis auf eine alte Dame im Opernkleid. Sie tanzt und bewegt ihren Kopf als würde sie headbangen.
Am Ende des zweistündigen Konzertes gibt es noch mehrere Zugaben, bevor wir wieder nach Hause fahren.



Den nächsten Tag verbringe ich mit einer Freundin, welcher ich beim Umzug und Putzen der neuen Wohnung helfe. Zusammen kaufen wir ihr abschließend ein Bett, welches ich am liebten selbst gehabt hätte. So weich und fluffig ist es.

Um sechs Uhr erreicht mich ein Anruf von Eija, die mich fragt, ob ich mit zur Oper wolle. Um sieben solle ich draußen warten, sie werde mich abholen. Eine Stunde zum schick machen für eine Oper? Eine neue Herausforderung!

Wieder eile ich in mein Zimmer und versuche mich irgendwie passend zu kleiden. Ich entscheide mich für das rote Sommerkleid und werde tatsächlich kurz darauf abgeholt. Jarmo parkt das Auto auf dem Parkplatz seiner Mutter, die in der Nähe der Burg wohnt. Zu dritt spazieren wir zur Olavinlinna. Da es regnet, brauchen wir weniger Zeit um in die Festung zu gelangen, denn die Menschengruppen stürmen zeitweise hinein und trödeln nicht mehr.

Dieses Mal habe ich eine Freikarte für die zwölfte Reihe erhalten. Wieder sehr weit vorne, leider nicht nah genug, um das Orchester spielen zu sehen. Dafür kann ich den Kopf des Maestros beobachten, der sich wild auf und ab bewegt.
Die finnische Version der Zauberflöte ist sehenswert. Das Bühnenbild wirkt schlicht, drei Bäume stehen in der Mitte und in ihnen sitzen Männer, die sie hin und her bewegen lassen. Papageno überzeugt mich am meisten. Seine Mimik und Gestik sind überragend, sein verschmitztes Lächeln lässt sich selbst über die Entfernung erkennen. 
Die Atmosphäre in dem Innenhof der Burg ist voller Spannung und Hoffnung. 
Wird Tamino die Prüfungen bestehen? Findet Papageno endlich seine große Liebe? Was geschieht mit Pamina? Und ist Sarasto wirklich durch und durch böse, so wie er sich anfangs gibt?

Plötzlich wird der Saal dunkel, bis auf einmal warmes Licht den Hof durchflutet. Auf der Bühne steht der riesige Chor, gekleidet in Weiß und lässt mich die Luft anhalten. Welch schönster Anblick!
Die Opernsänger und Schauspieler versammeln sich, Papagenos Kinder toben von der einen zur anderen Seite.
Das Happy-End lässt jeden zufrieden und lächelnd die Burg verlassen.
         
Doch anstatt zurück zum Opisto zu fahren, gehen wir drei in unserer schicken Kleidung zu Subway. Das erste Mal für meine beiden Begleiter.

Samstag, 30. Juni 2012

Mitsommer

In einem Handtuch gehüllt, saß Eija vor dem Holzhäuschen und begrüßte uns. Nach einer kurzen Unterhaltung begleiteten sie und ihre Schwester uns, Jaana, Popo und mich, in die Sauna.
Seit Tagen schien die Sonne das erste Mal am wolkenlosen Himmel und nach einigen Runden durch den See, legten wir uns auf den Steg und genossen die Sonnenstrahlen, die unsere Haut kitzelten.

Die angenehme Entspannung wurde von einer Männerstimme zerstört, welche uns aufforderte, endlich den Platz und die Sauna zu räumen. Unsere Zeit war vorbei.
Ich ging in die Küche und half ein wenig beim Tischdecken, bis mir Fleisch in die Hand gedrückt wurde und ich zu meinem richtigen Job wechselte. Grillen.

Den frühen Abend verbrachten wir speisend auf der großen Terrasse, lachten und tranken. Zwischendurch tauchten Freunde von Eija mit einem Motorboot auf und gesellten sich zu uns.

Das große Juhannus - Feuer wurde entzündet, ich saß auf einer Schaukelbank und bewunderte es von weiter Ferne. Ich weiß nicht wie, aber wir kamen auf die Idee mit einem Boot dorthin zu fahren. Also sprangen vier andere mit mir in den Holzkahn, ein Wunder dass wir nicht kenterten, und fuhren zur Mitte des Seeabschnittes, in der sich der Fels mit dem Feuer befand. Je näher wir kamen, desto wärmer wurde es. Um die Flammen herum, kreisten aufgebrachte Möwen. Auf dem Wasser befanden sich mehrere Boote, die das Spektakel aus nächster Nähe betrachteten.

Unsere Getränkedosen neigten sich dem Ende zu, deswegen stiegen wir Jüngeren notgedrungen auf ein größeres Motorboot um und fuhren zurück zum Haus. Die Stimmung stieg antiproportional zu der Menge der Getränke. Mit einer großen Auswahl verschiedener Eissorten, setzten wir uns in den verglasten Pavillon und entfachten ein kleines Feuer in der Mitte. Der Abend wurde immer lustiger, die Gespräche jedoch auch einfacher und wir vermischten verschiedene Sprachen.

Plötzlich kamen wir auf DIE Idee. Wir könnten mit einem Boot zu einer Tanzhalle fahren, die einige Kilometer von uns entfernt war. Dort gäbe es zwar kaum Menschen und eigentlich nur Ältere, aber immerhin Betten. Eine halbe Stunde diskutierten wir darüber, bis wir uns schließlich doch dagegen und für etwas viel vernünftigeres entschieden.

Mitternachtssauna.

Dazu sei gesagt: jeden Mittsommer gibt es makabre Wetten über die Anzahl der Ertrunkenen an diesem Tag. Denn, ob du es glaubst oder nicht: Alkohol und See ergeben eine gefährliche Mischung.

Nur waren wir leider zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage uns über mögliche Konsequenzen im Klaren zu sein. Im Gegenteil, Popo und ich hantierten sogar mit Feuer und erwärmten somit die Sauna.
Während der Erwärmungsphase, saßen wir beide in dem Entspannungszimmer und als die Sauna endlich warm war, forderte ich die anderen Frauen auf, endlich zu uns zu kommen. Das nahm allerdings einige Zeit in Anspruch.

Nach einer ganzen Weile ließen wir uns endlich erhitzen und nahmen ein Bad im See. Es gibt nichts besseres als Mitternachtssauna und es war fast noch so hell wie tagsüber.

Da wir gegen zwei Uhr voller Energie waren, entschlossen wir uns schweigend einer alten Tradition zu folgen. Naja, aus Zweien machten wir eine. Die Erste besagt: Pflückt ein Mädchen in der Mitsommernacht sieben verschiedene Wildblumen und legt diese unter ihr Kopfkissen, so wird sie in der Nacht von ihrem Zukünftigen träumen. Die Zweite verspricht den Zukünftigen zu sehen, wenn das Mädchen dreimal gegen den Uhrzeigersinn um einen Brunnen läuft und dann in das Wasser blickt.

Am Ende der Nacht, kletterte ich eine schmale Leiter zu einem Dachboden über der Sauna und legte mich dort in ein Bett. Es war warm. Fast wie in der Sauna.

Stunden später, nach einem Traum von zehn verschiedenen Kerlen, einem Bad im See und einer Dusche, gesellte ich mich zu der restlichen leicht verkaterten Gruppe. Wir stellten ein kleines Frühstück bereit und legten uns danach in die Sonne. Eija überraschte uns alle mit selbstgemachten Pfannkuchen, zu denen es Eis und Marmelade gab. Ich war im Paradies.

Daraufhin legten wir uns wieder für ein Verdauungsschläfchen auf den Steg. Bis am Nachmittag die Ruhe von einem Handy gestört wurde. Ehe ich mich versah, saß ich schon in einem großen Auto, das zu einer kleinen Fähre fuhr. Mit mir der Großteil der Gruppe. Wohin wir fuhren, hatte ich nicht so ganz begriffen. Einigen anderen erging es genauso. Mit der Fähre setzten wir zu einer Insel über, die irgendwann endete und zwar an einem kleinen Steg. Dort holte uns ein Motorboot ab, ich fühlte mich wie James Bond.
Mit dem Teil überquerten wir erneut den See, fuhren an Inseln vorbei und umrundeten ein altes Dampfschiff. Ende der Reise.

Uns begrüßten einige Freunde von Eija und wir wurden aufgefordert, auf das Schiff zu klettern. Ein Traktor mit einer Hängerladung Holz erwartete uns. Rund fünfzehn Menschen reihten sich in zwei Linien auf und reichten die zerschnittenen Birkenstämme weiter. Die eine Hälfte Holz ging in den heißen Maschinenraum, indem ich für eine halbe Stunde arbeitete und die andere wurde an Deck gelagert. Die Arbeit dauerte etwas über eine Stunde und anschließend gab es Pfannkuchen mit Pilzragout. Erschöpft sonnte ich mich an Deck und schlief hin und wieder ein. Dann fuhr das Schiff los, mit schrillen Geräuschen und lautem Gehupe. Sollte anscheinend ganz Finnland wissen, dass wir ablegten.

Erstaunlicherweise nahm das Teil ziemlich schnell an Fahrt auf und nun sah ich den See Saimaa von einer ganz anderen Seite. Die Natur ist beeindruckend.
Felsen, Inseln, Bäume und Wasser. Dazu ein perfektes Wetter, einige Kinder um mich herum und gut gelaunte Menschen.

Ich machte eine Rundführung mit, sah mir die Sauna und die Kajüten an und beobachtete wie die Maschinen das Schiff in Fahrt brachten.
Dann versuchten die Männer einzuparken. Das ist anscheinend nicht so einfach mit dem riesigen Kahn. Erst fuhren wir vorwärts am Pier vorbei, dann drehten wir uns und fuhren ein wenig rückwärts, bis es wieder vorwärts ging und eine Kurve gedreht wurde. Letztendlich legten wir perfekt am Pier an und konnten landen. Dort verließ mein Teil der Gruppe das Schiff und wir machten uns auf den Weg zu einer Fähre, die zwei Kilometer entfernt anlegte.
Zurück auf dem Festland, wartete unser Fahrer bereits und fuhr uns zurück zu Eijas Haus und das war das Ende des perfekten Mitsommerfestes.

Donnerstag, 21. Juni 2012

Gastbericht von meinem besten Freund Timm

Das Privileg zu haben einen der letzten Blogeinträge zu verfassen, habe ich gerne genutzt. Ich hoffe das die aufmerksamen und stetigen Mitleser gefallen an diesem Text finden werden. Ich, Timm habe 4 Tage lang die Gastfreundschaft von meiner besten Freundin Ricarda genossen und auch überlebt.

Ich schreibe dies, während ich dabei bin dieses Land zu verlassen, was mir angesichts klitschnasser Klamotten auch nicht mehr ganz so schwer fällt. Aber da das Schiff nach Schweden erst in einer Stunde ablegt, will ich die Zeit nutzen, um meine Erlebnisse und Eindrücke in Textform zu verpacken.

Angekommen bin ich letzte Woche Sonntag im sonnigen Helsinki, wo ich mich sofort in Bus und Zug nach Savonlinna begeben habe, geplant war was anderes aber Pläne sind ja auch manchmal recht doof. Um kurz vor 23 Uhr war ich dann auch tatsächlich da,
ein Wunder da manche Züge nur knapp 5 Minuten Umsteigezeit hatten. In Deutschland hätte ich wohl auf einem Bahnsteig übernachten müssen, da ich den Anschlusszug verpasst hätte. Aber hier im Land wo man die Uhr nach dem Zug stellen kann, war ich pünktlich da und über das helle Licht verwundert. In der ganzen Woche war es nie dunkel. Nur ein bisschen dämmerig um 1 Uhr rum, aber das war es.
So liefen wir nun den Weg zum Opisto, eine recht schöne Strecke, die auch verdammt gut tat nach knapp 7 Stunden herum sitzen.

Der nächste Morgen begann recht früh, Rica musste arbeiten und ich hatte keinen Lust meinen knapp bemessenen Urlaub mit Schlaf zu vergeuden. Also unter die Dusche und das Opisto bei Tag betrachten und siehe da. Traumhaftes Wetter, bestimmt über 25 Grad und praller Sonnenschein. Eine klare Sache sich daraufhin das Badetuch zu schnappen und erst mal in den wunderschönen See zu springen. Kaltes klares Wasser und kein Mensch sonst. Wundervoll. Nach einem ausgiebigen Sonnenbad ging es am Nachmittag darum eine Alibiarbeit zu finden, damit ich kostenlos speisen durfte. Mit knapp 3 Stunden Rasenmähen hatte ich für den Rest der Woche eine Basis in der Kantine. Obwohl bei dem Essen eher die Köche hätten zahlen müssen, dafür das man dies über sich ergehen lässt.

Nun ja, der Dienstag wurde von Regen, laufen, gehen und Filmen veranschlagt.
Mittwoch ging es in die finnische Sauna, kurz davor waren wir noch auf einem Kurztrip in Savonlinna, wo uns die Sonne doch überrascht hatte. Es war sehr warm.

Die finnische Sauna und ihr Ablauf ist in einem anderen Bereich ausführlich beschrieben geworden. Deswegen gehe ich hier nicht mehr darauf ein. Ein Wort zudem, es war toll und eigentlich möchte man dieses Gefühl nicht mehr missen. Die Sauna auch selbstständig zu heizen und im kleinen Kreise zu nutzen, rundete diese Reise wundervoll ab.

Der Donnerstag, ein Tag wie alle anderen und doch speziell, ein älterer Finne und ein Afghane mit speziellen Vorlieben, aber einem wunderbaren Tee und ein sehr guter Gastgeber machten vor allem den Abend zu einem besonderen Erlebnis.

Nun das Schiff ist inzwischen abgelegt, ich schwimme durch die Schären um Turku und in den Gedanken bin ich noch in Savonlinna. Es ist der Höhepunkt dieses Jahres. Diese Chance genutzt zu haben und zu Ricarda zu fahren und mein Versprechen einzulösen ist ein super Gefühl.

Am Freitag verließ ich Rica in aller Frühe. Meine weitere Reise geht über Tampere, Valkeakoski, Turku und Stockholm bis zum Flughafen in Helsinki. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ein Hinweis für Finnland-Schweden Reisende:
Finnische Fähren sind mit Vorsicht zu genießen. Ein Strudel des Vergnügens, mag ich an dieser Stelle einfügen. Die Finnen fahren hauptsächlich damit um zu feiern.

Mittwoch, 6. Juni 2012

das Ende der Welt

Es war einer dieser typischen langweiligen Tage, an denen sich alles, ja wirklich alles, in die Länge zog. Ich starrte gelangweilt die Decke an, hörte dabei Musik. Setzte mich an meinen Computer. Nichts half. Die Zeit verging einfach nicht. Mir fehlte es an einem Hobby. Irgendeiner Freizeitbeschäftigung, der ich am Wochenende nachgehen konnte. Hier im Ausland. Wie hatte ich das die vorherigen Monate bloß überlebt? Fernab von alten Freunden, umgeben von unzähligen Fremden, die alle nur einer anderen Sprache mächtig waren. Nichts konnte meine besten Freunde ersetzen. Zwar habe ich hier neue Bekanntschaften gemacht, ziemlich viele genauer genommen. Nur sind die meisten mittlerweile abgereist und auf das ganze Land verteilt.
Alles was ich mir aufgebaut hatte. Mein neues soziales Kommunikationsnetz. Da gab es zum Beispiel die Frauenrunde, mit der ich wundervolle Stunden in der Sauna verbrachte. Oder die Männer, welche mich zum Essen und Filme ansehen, einluden.

Verschiedene Gesellschaften, welche mir alle ein kleines Gefühl der Zugehörigkeit vermittelten.
Alles vorbei. Aus und vorbei.
Meine Gedanken schwirrten im Kreis. Sehnsucht und Einsamkeit machten sich breit. Ich vermisste meine neuen Freunde. Und meine alten. Je mehr Gedanken ich daran verschwendete, desto trauriger wurde ich.
Unterdrückung der Gefühle ist ein notwendiges Übel. Ich wollte mich nicht mit dem Verlust auseinander setzen, viel lieber nach Ablenkung suchen.

Also setzte ich mich auf und schlüpfte in herumliegende Socken und meine Laufschuhe. Wozu war ich im Land der Seen und Wälder, wenn ich das nie ausnutzte?
Ich lief los, erst die Straße entlang. An etlichen Häusern. Sie ähnelten sich alle sehr. Bungalows, in unterschiedlichen Farben angestrichen. Rot, gelb, blau und grau. Für die Gärten hatten sich die Bewohner noch weniger Mühe gegeben. Höchstens kümmerten sie sich um das Gras. Blumen und andere Pflanzen existierten nicht, oder wuchsen wild vor sich hin.

Die Straße ging ohne Kurve über mehrere Kilometer hinweg. Bergab. Nein, es war eher ein Hügel, den ich hinunter lief. Deswegen hatte ich auch ein gutes Tempo drauf. An der Weggabelung bog ich nach links und dann nach rechts ab. Die Straße verwandelte sich in eine Schotterpiste, mit einem kleinen parallelen Waldpfad, den ich wählte. Ich verlangsamte meine Geschwindigkeit und genoss den hundert Meter langen weichen Weg.

Dann mündete er wieder in die Schotterstraße, welche ich ein Stück verfolgte. Bis ich an einer Kreuzung rechts abbog. Ein Fehler. Am Ende stellte er sich als Sackgasse heraus. Ich kehrte um, lief den Waldweg zurück, bog wieder links ab und entdeckte dann einen Pfad, der höchstwahrscheinlich wirklich in den Wald führte.

Er war ungefähr zwei Fuß breit, führte Hügel hoch und hinunter. Schlängelte sich an kleinen Bächen vorbei, über die Menschen Holzplatten zur Überquerung gelegt hatten. Links und rechts standen unzählige grüne Bäume, die ersten Frühlingsblumen wuchsen. Gelbe Blüten zierten die Bäche. Eine Weggabelung tauchte auf, ich bog links ab. Es ging hinunter. Meine Füße balancierten über Baumwurzeln und Steine entlang. Ich wurde wieder schneller und geriet bei dem Auf und Ab außer Atem.

Bei den folgenden Kreuzungen, wählte ich oft den linken Pfad. Stets im Hinterkopf, dass mein Wohnort rechts von mir lag. Irgendwann entschied ich mich, mehr in meine Hausrichtung zu begeben, überquerte Flüsschen, Hügel, Wurzeln und fand mich auf einem Felsen wieder. Ich näherte mich vorsichtig dem Abgrund und machte lieber wieder einen Schritt zurück. Das ging ein wenig zu tief hinunter. Nun folgte ich einem anderen Waldpfad, der mich über offene Felder führte. Felder auf denen tote Bäume herum lagen, dessen Wurzeln aus dem Boden ragten. Der Pfad wurde schmaler, die Kurven vermehrten sich. Es ähnelte fast einem Slalomparcours.
Es brachte so viel Spaß durch die Natur zu laufen, das Glück sprudelte nur aus mir heraus. Ich kicherte vergnügt, folgte meinen Gedanken. Alten Fantasien, die ich als Kind immer hatte. Rannte und rannte. Über Stock und Stein, hangelte mich unter umgefallenen Bäumen entlang. Einmal fiel ich beinahe hin, doch ich konnte mich gerade noch so wieder in Balance bringen.

Mir ging es so gut. Weitab von sämtlichen Menschen. Eins mit der Natur. Vögel zwitscherten, knatterten mit ihren Schnäbeln, das so klang, als wären sie Paparazzi-Vögel. Mit alten Kameras flogen sie herum und fotografierten die kleine Welt unter ihnen. Die grünen Blätter rauschten, spielten mit dem Wind. Ich hockte mich auf einen der Felsen am Ende der Welt und genoss den Moment.

Gerüche von Blüten, Gräsern und Blättern umgaben mich, wohlig schloss ich meine Augen und ließ das alles auf mich wirken. Die Sonne kitzelte mein Gesicht, ein Gänseschauer kletterte meine Arme entlang.

Das Ende ist nicht das Ende des Ganzen, vielmehr ist es ein Halt, ein Ort zum Verweilen, Rasten, von dem es weiter geht.
Wenn die Zeit gekommen ist.

Sonntag, 3. Juni 2012

wie ich eine unvergessliche Erfahrung machte

Lang ist es her, doch nun schreibe ich wieder ein wenig über mein mehr oder minder aufregendes Leben.
In der letzten Zeit hat sich nämlich so einiges verändert und ich habe viele neue Erfahrungen gesammelt.

An dem Wochenende nach Annes Besuch, fuhr ich erneut nach Helsinki. Dieses Mal um meine Familie zu treffen. Für meine Mutter war dies die erste Reise nach Finnland und ich hoffe, sie hat nun schöne Erinnerungen davon.

Am Freitag spielte die kanadische Eishockeygruppe gegen die finnische und es versetzte mir einen Stich ins Herz, als meine kurzfristige Wahlheimat verlor. Doch ich wurde ziemlich schnell darüber hinweg getröstet, denn wir unternahmen eine Menge. Ich kenne Helsinki ja mittlerweile relativ gut, zumindest das Zentrum. Bin da unzählige Male kreuz und quer durchgelaufen und trotzdem konnte ich dank einer Stadtrundfahrt ganz neue Ecken entdecken. So besuchten wir zum Beispiel die Felskirche, sahen ein sehr teures Stadtviertel und weitere Teile des Hafens.

Am besten fand ich es jedoch, endlich mal in einem richtigen Bett zu schlafen. Eine Nacht ohne Rückenschmerzen zu haben, das war mir die weite Anreise wert.
Das ganze Wochenende war einfach nur wonderbra, ich war richtig glücklich, die drei wiederzusehen und denke, es wird mir leicht fallen, nach Deutschland zurückzukehren. Am Sonntag war mein Geburtstag, den wir denkwürdig feierten, bis ich leider die Heimreise wieder antreten musste. Abends übernachtete ich bei einer Freundin in der Innenstadt von Savolinna, weil wie immer kein Bus zurück zum Opisto fuhr.

Das Wochenende darauf mussten Popo (meine Mitfreiwillige) und ich nach Jyväskylä fahren. Es war eine Qual, denn rund 8 Stunden Anfahrt zu einem Abschlusstreffen unserer Organisation zu fahren, ist schlicht und ergreifend einfach grausam.
So saßen wir ewig in Zügen, bis wir endlich in Tampere ankamen. Es gibt nämlich keine Direktverbindung von Savonlinna nach Tampere - Luftlinie liegt unter 300 Kilometern.

Das Camp an sich war öde. Überraschend war nur die Hälfte unserer Ursprungsgruppe anwesend, dafür aber über 30 finnische Freiwillige, die sich auf ihre Abreise ins Ausland vorbereiteten. Wir Altfreiwilligen saßen das Wochenende schweigend herum, so wie wahre Finnen es tun. Wir hielten brav Abstand zueinander, verhielten uns ruhig und finnisch.
Die Finninnen und der eine Finne jedoch, quatschten in einer Höllenlautstärke, drängten sich ständig an uns und wollten uns umarmen! Das war echt zu viel des Guten.
Kulturschock hoch drei!

Wie soll das bloß werden, wenn wir in unsere Heimaten zurück kehren? Wir sind so stark an Finnland angepasst, dass uns Menschenaufläufe schnell zu viel werden.
Nach dem ich vier Tage überstanden hatte, die mit Übungen und Themen gefüllt waren, die wir beim letzten Camp bereits gehabt hatten, kehrte ich übermüdet und genervt nach Savonlinna zurück. Wie sehr hatte ich die Stadt vermisst! Das kann sich keiner vorstellen.

Doch kaum zurück, kam der Spaß wieder. Ich bekam neue Aufgaben bei der Arbeit, durchlitt nochmal einen bodenlosen Tiefschlag, den ich langsam zu verkraften lerne und dann erfasste mich der Aufwind wieder. Nur dann kam auf einmal der 1. Juni. Tag des Abschieds. Von all meinen Freunden. Abreise aller Studenten, Ende des Schuljahres.

Ich verabscheue Abschiede, besonders wenn sie ungewollt sind. Ob ich einige von ihnen wiedersehe, wird sich noch herausstellen. Etliche vermisse ich ungemein und das hätte ich nicht erwartet.
Zu meiner Überraschung bekam ich an dem Tag auch ein Zeugnis. Mit der Bestnote. Und mein Sprachgrad beläuft sich auf A2. Das nach sechs Monaten Finnisch-Studium. Ich bin stolz auf mich.
Auch meine Arbeitsbewertung hat mich fast umgehauen.

Um am Abend nicht mit trüben Gedanken die Decke anzustarren, traf ich mich zu einem internationalen Treffen.
Wir hatten eine Mission zu erfüllen. Drei Finninnen, ein Finne, Popo und ich. Wir versammelten uns und testeten 23 Longkeros. Das ist eine finnische alkoholische Spezialität, die es mit verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt. Anfangs fielen die Bewertungen noch sehr schlecht aus, je mehr wir davon tranken, desto mehr Punkte gab es. Außerdem erlebten wir ziemlich eindrucksvolle Stimmungsschwankungen, die von Aggressivität (Papierrolle nach jemanden werfen) über einem Flirt mit einem Hund bis zu hysterischen Lachattacken, die mit einem Schluchzen und Tränen endeten.
Der Abend war also ein voller Erfolg! Denn jetzt weiß ich, welche Longdrinks ich am meisten mag und welche ich niemals kaufen werde.

Der absolute Höhepunkt kam auf der Heimfahrt um 2 Uhr nachts. Mittlerweile ist es fast ununterbrochen hell und so sah ich etwas, was mein Herz erweichte.
Ich hatte es nicht mehr erwartet, nicht gewagt es zu erhoffen. Ich werde diesen Moment nie wieder vergessen.
Das erste Mal in Finnland sah ich einen Elch in freier Wildbahn.
Selbst wenn es nur das Hinterteil gewesen ist!