Freitag, 13. April 2012

Avanto Teil 2

Vor meinem Jahr in Finnland habe ich in einem Blog gelesen, ein wahrer Finne sagt niemals „Ich liebe dich“ (im finnischen Fall: „Minä rakastan sinua“ oder „Rakastan sua“). Nein, er baut seiner Angebeteten stattdessen ein Haus. Und eine Sauna – für mich der eindeutig allergrößte Liebesbeweis der Welt. Dazu noch einen Steg, der den Sprung in den, natürlich sorgfältig ausgewählten, nahen See ermöglicht.
Der Partner von Eija, eine meiner Opisto-Ansprechpersonen, hat sogar ein großes Loch in das Eis auf dem See gemacht. Für uns. Weil Popo und ich unbedingt Eisbaden wollten.
Letzten Endes sind wir zu neunt in die Sauna und anschließend ins Wasser gestiegen. Letzteres betone ich, denn ein Sprung könnte lebensgefährlich sein. Der Temperaturunterschied beträgt um die 90°C.

Zuerst fühlte sich das Wasser warm und angenehm an. Jedes der zehn Male, die ich da rein stieg und im See verweilte, war unterschiedlich. Von absolut todeskalt zu spanienwarm. Nur meine Füße mochten die Frische nicht so sehr. Manchmal gestaltete es sich schwierig mit gefrorenen Unterkörper (versucht mal mit Eisklötzen an den Beinen zu laufen) zurück zur Sauna zu gehen.
Im Gegensatz zum Dezember, da waren meine Haare innerhalb von einer halben Minute vereist und zum Januar, da mussten wir mit dem Schnee auf dem See vorlieb nehmen und uns drin wälzen, war dieser ein Sommerausflug.
Trotzdem empfehle ich es allen und hoffentlich kann ich nächste Woche wieder hinein ins kühle Nass.

Heute habe ich mich im Übrigen von einer iranischen Friseurin frisieren lassen, die Erfahrungsberichte der Studentinnen hier im Opisto, reichten von „aaaaaaaaaaah“ zu „wow!“.
Deswegen war ich nervös. Doch sie hielt sich an die Vorgabe, bloß nicht zu viel abzuschneiden. Jetzt nach fünf Monaten ohne Friseurbesuch, sehe ich wieder menschlich und annehmbar aus. Mein Bart hatte es auch echt nötig wieder gestutzt zu werden *Achtung Flachwitz! Bitte Füße hochnehmen!*

Es ist lesbar, wie mein abgöttischer Humor wie eine Rose verwelkt und von ihm zum Schluss wohl kaum etwas überbleiben wird. Pardon, liebe Freunde... seit 8 Monaten habe ich keine Ironie, keinen schwarzen Humor oder Sarkasmus verwendet oder gehört. Das scheint in meiner Umgebung nicht zu existieren.
Denn anfangs habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Nach dem mein Magen unüberhörbar laut knurrte, beantwortete ich die darauf gestellte Frage eines Mitstudenten, ob ich Hunger hätte, mit einem extremen „Neeeeeeeeeeeee! Natürlich nicht!“.
Das Ergebnis dieser Problematik war, dass ich von da an meine Wünsche, was das Aufnehmen von Nahrung betrifft, direkt und deutlich formuliert ausspreche.

Habe ich schon erwähnt, dass Schnee liegt?

Donnerstag, 12. April 2012

Avanto Teil 1

Hey,

da bin ich wieder...
In wenigen Stunden stürze ich mich ins kalte Wasser. Genauer genommen in eisigkaltes Wasser. Eisloch genannt.
Aaaaah, ich verliebe mich allein schon in die Vorstellung. Bibbernd über den gefrorenen Steg zu watscheln, an verschneiten Felsen vorbei und dann den Kreislauf so richtig in Fahrt zu bringen. Fühlt sich bestimmt so an, wie Achterbahn zu fahren. Nur kälter.
Es wird mein erstes Mal sein und falls es sich lohnt, berichte ich heute Abend darüber.
Falls meine Finger nicht abgefallen sind.

Dienstag, 10. April 2012

Ostern einmal anders

Mittlerweile vergeht die Zeit wie im Fluge, außer wenn ich nichts zu tun habe und mich langweile. In vier Monaten werde ich in den alten deutschen Alltagstrott zurückkehren, so richtig vorstellen, kann ich es mir jedoch noch nicht.
In den letzten Wochen ist nicht viel passiert. So wie seit den letzten drei Monaten.
Zweimal war ich krank und lag im Bett, innerlich keimen nun die Frühlingsgefühle auf und verlangen das Tragen von T-Shirts, doch aufgrund der Minusgrade und des hohen Schnees, bleibe ich vernünftig und ziehe mir warme Kleidung an.

Zum Glück war ich Ostern mit Popo und einer finnischen Lehrerin namens Jaana unterwegs.
Gemeinsam fuhren wir nach Joensuu. Die Großstadt liegt eine zweistündige Autofahrt entfernt und bietet etwas Abwechslung vom Alltag.
Im Oktober war ich das letzte Mal dort.
Wir übernachteten in der Studentenwohnung von Jaanas Schwester und gingen abends zu einer finnischen Party. Für mich und Popo war es eher langweilig, die Musik war zeitweise zu laut, die Menschen sprachen durchgehend auf finnisch und das Zuhören war ermüdend. Dafür konnten wir Finnen in Aktion sehen. Die Männer verschwanden zuerst in der Sauna, die Frauen stopften sich mit Fischtorte, Kuchen und Süßigkeiten voll. Dann folgte der Alkohol und zum Schluss waren alle betrunken und gut drauf. Einige tanzten zum Ende hin sogar.

Besonders interessant war für mich das Beobachten des männlichen Geschlechts.
Angekündigt wurde mir: „Pass bloß auf, nachher wird auch einer auf der Party sein, der jedes Mädchen im Sturm erobert.“
Für mich klang das nach einer Menge Spaß.
Dann als er vor mir stand, war ich sprachlos. Ein bärtiger Kerl, dessen orangeblonden langen Haare Rapunzel Konkurrenz machten. Sein Bierbäuchlein war auch kaum zu übersehen. Und er sprach so leise, dass ich mich zwischen dem Erraten seines Gesagten oder dem Vorbeugen und Ertragen seines Mundgeruches entscheiden musste.
Womanizer?
Nicht für eine Deutsche. Vielleicht wirkte er auf die finnische Damenwelt attraktiv, bei mir landete er sofort in der Kumpelschublade.
Ich kann mir gut vorstellen, dass er ein superlieber Kerl ist. Denn viele umschwärmten ihn. Aber unter einem Frauenschwarm stelle ich mir etwas anderes vor.
Insgesamt sahen die Finnen um mich herum alle sehr sympathisch aus. Da sie in ihren Grüppchen verweilten, kann ich leider nichts zu ihren Charaktereigenschaften sagen.

In einer Ecke entdeckten drei Finnen das Gruppenkuscheln für sich, indem sie sich aufeinander setzten. Der Zweite auf den Schoß des Unteren und der Dritte mit Blickrichtung zum Zweiten auf beide. Eng verknotet hauchten sie sich Liebesschwüre wahrer Männerfreundschaft zu.
So verharrten sie etliche Minuten.
Das war etwas zu viel des Guten für mich – werden in Deutschland doch oft einige bereits als schwul betitelt, weil sie sich kurz umarmen.

Am nächsten Tag verbrachten wir drei den Vormittag in der Wohnung und beobachteten im TV wie ein Schiff durch Norwegen fuhr. Die Filmcrew hatte fünf ganze Tage lang alles gefilmt, was da so passierte. Die Dokumentation lief stundenlang und wäre ideal für Trinkspiele geeignet. Bei jedem Wasserfall ein Gläschen und schwupps bist du nach einer halben Stunde so betrunken, dass du alles um dich herum vergisst.

Nachmittags bekamen wir die Idee, im Internet Pizza zu bestellen. Als Premiere.
Hat sich wirklich gelohnt!
Und gestärkt von der Mahlzeit, machten wir uns auf zu Jaanas Freunden. In einer anderen Studentenwohnung saßen wir zusammen mit vier anderen Finninnen, guckten Fernsehen und unterhielten uns. Vier Stunden lang. Danach ging es endlich zum Konzert der Pariisin Kevät (Pariser Frühling).
Die Band bestand aus sechs Männern, die richtig ab rockten auf der Bühne.
Ich hatte zwar nie zuvor deren Musik gehört, aber sie trafen völlig meinen Geschmack.

Danach gingen wir im Gebäude herum, unterhielten uns mit Bekannten und sahen wie eine zweite Band auftrat. Hierbei handelte es sich jedoch nur um eine Coverband, also nichts besonderes. Auffällig war, dass fast alle Männer um mich herum, lange Haare hatten und die meisten sie zum Dutt gebunden trugen.
Bei den meisten sah das gut aus.
Es wurde etwas ruhiger im Club und ich konnte wieder einige Beobachtungen machen.
Da saß er, das Phänomen Finne, mit wehleidigem Blick, umringt von siebzehn leeren Biergläsern, zwei Freunden, die eng an ihm klebten und ihm zu sprachen.
An dem Tisch daneben, saßen zwei andere und vollzogen das Bruderschaftstrinken mit Küsschen.

Am nächsten Tag schafften wir es tatsächlich um neun Uhr die Wohnung zu verlassen! Wir hielten auf der Streckenhälfte an und durchquerten einen Zoo. Dort sah ich auch zum ersten Mal einen Elch, der sofort auf Schmusekurs ging und mir seinen Kopf hin hielt.
Sogar ein Rentier war zwischen den Luchsen, Vögeln, Bären, Wildschweinen, Lamas und anderen interessanten Tieren zu entdecken.

Den Abend verbrachten wir mit Jaanas Familie auf deren Bauernhof. Nach dem Grillen (das so ähnlich wie in Deutschland fabriziert wird), wurden wir herum geführt, durften beim Melken helfen, die Kälber bespaßen, Traktor fahren (yeeeeah!!!), saunieren und wurden morgens pünktlich um sechs von den vier Border Collies geweckt (was wir ignorierten und einfach weiterschliefen).
Später gab es sogar ein frisch zur Welt gekommenes Kalb zu begutachten.

Es war ein richtig aufregendes und tolles Wochenende, besonders das Ende auf dem Bauernhof und das Konzert am Freitag, gefielen mir sehr.

Jetzt, zurück im Opisto, überkommt mich die Langeweile. Der Schnee schmilzt nicht und lässt die Welt so trist und öde wirken. Lust auf Unternehmungen habe ich hier nicht, Joggen oder Radfahren wird zur gefährlichen Freizeitaktivität.
Die Studenten machen tagsüber mehrere Wochen lang Praktikas und somit ist überhaupt nichts los.
Bääh... es kommt mir so vor, als würde ich die Zeit hier nur verplempern.

(Glaubt eigentlich jemand von euch an ein Leben nach dem Tod?)