Dienstag, 10. April 2012

Ostern einmal anders

Mittlerweile vergeht die Zeit wie im Fluge, außer wenn ich nichts zu tun habe und mich langweile. In vier Monaten werde ich in den alten deutschen Alltagstrott zurückkehren, so richtig vorstellen, kann ich es mir jedoch noch nicht.
In den letzten Wochen ist nicht viel passiert. So wie seit den letzten drei Monaten.
Zweimal war ich krank und lag im Bett, innerlich keimen nun die Frühlingsgefühle auf und verlangen das Tragen von T-Shirts, doch aufgrund der Minusgrade und des hohen Schnees, bleibe ich vernünftig und ziehe mir warme Kleidung an.

Zum Glück war ich Ostern mit Popo und einer finnischen Lehrerin namens Jaana unterwegs.
Gemeinsam fuhren wir nach Joensuu. Die Großstadt liegt eine zweistündige Autofahrt entfernt und bietet etwas Abwechslung vom Alltag.
Im Oktober war ich das letzte Mal dort.
Wir übernachteten in der Studentenwohnung von Jaanas Schwester und gingen abends zu einer finnischen Party. Für mich und Popo war es eher langweilig, die Musik war zeitweise zu laut, die Menschen sprachen durchgehend auf finnisch und das Zuhören war ermüdend. Dafür konnten wir Finnen in Aktion sehen. Die Männer verschwanden zuerst in der Sauna, die Frauen stopften sich mit Fischtorte, Kuchen und Süßigkeiten voll. Dann folgte der Alkohol und zum Schluss waren alle betrunken und gut drauf. Einige tanzten zum Ende hin sogar.

Besonders interessant war für mich das Beobachten des männlichen Geschlechts.
Angekündigt wurde mir: „Pass bloß auf, nachher wird auch einer auf der Party sein, der jedes Mädchen im Sturm erobert.“
Für mich klang das nach einer Menge Spaß.
Dann als er vor mir stand, war ich sprachlos. Ein bärtiger Kerl, dessen orangeblonden langen Haare Rapunzel Konkurrenz machten. Sein Bierbäuchlein war auch kaum zu übersehen. Und er sprach so leise, dass ich mich zwischen dem Erraten seines Gesagten oder dem Vorbeugen und Ertragen seines Mundgeruches entscheiden musste.
Womanizer?
Nicht für eine Deutsche. Vielleicht wirkte er auf die finnische Damenwelt attraktiv, bei mir landete er sofort in der Kumpelschublade.
Ich kann mir gut vorstellen, dass er ein superlieber Kerl ist. Denn viele umschwärmten ihn. Aber unter einem Frauenschwarm stelle ich mir etwas anderes vor.
Insgesamt sahen die Finnen um mich herum alle sehr sympathisch aus. Da sie in ihren Grüppchen verweilten, kann ich leider nichts zu ihren Charaktereigenschaften sagen.

In einer Ecke entdeckten drei Finnen das Gruppenkuscheln für sich, indem sie sich aufeinander setzten. Der Zweite auf den Schoß des Unteren und der Dritte mit Blickrichtung zum Zweiten auf beide. Eng verknotet hauchten sie sich Liebesschwüre wahrer Männerfreundschaft zu.
So verharrten sie etliche Minuten.
Das war etwas zu viel des Guten für mich – werden in Deutschland doch oft einige bereits als schwul betitelt, weil sie sich kurz umarmen.

Am nächsten Tag verbrachten wir drei den Vormittag in der Wohnung und beobachteten im TV wie ein Schiff durch Norwegen fuhr. Die Filmcrew hatte fünf ganze Tage lang alles gefilmt, was da so passierte. Die Dokumentation lief stundenlang und wäre ideal für Trinkspiele geeignet. Bei jedem Wasserfall ein Gläschen und schwupps bist du nach einer halben Stunde so betrunken, dass du alles um dich herum vergisst.

Nachmittags bekamen wir die Idee, im Internet Pizza zu bestellen. Als Premiere.
Hat sich wirklich gelohnt!
Und gestärkt von der Mahlzeit, machten wir uns auf zu Jaanas Freunden. In einer anderen Studentenwohnung saßen wir zusammen mit vier anderen Finninnen, guckten Fernsehen und unterhielten uns. Vier Stunden lang. Danach ging es endlich zum Konzert der Pariisin Kevät (Pariser Frühling).
Die Band bestand aus sechs Männern, die richtig ab rockten auf der Bühne.
Ich hatte zwar nie zuvor deren Musik gehört, aber sie trafen völlig meinen Geschmack.

Danach gingen wir im Gebäude herum, unterhielten uns mit Bekannten und sahen wie eine zweite Band auftrat. Hierbei handelte es sich jedoch nur um eine Coverband, also nichts besonderes. Auffällig war, dass fast alle Männer um mich herum, lange Haare hatten und die meisten sie zum Dutt gebunden trugen.
Bei den meisten sah das gut aus.
Es wurde etwas ruhiger im Club und ich konnte wieder einige Beobachtungen machen.
Da saß er, das Phänomen Finne, mit wehleidigem Blick, umringt von siebzehn leeren Biergläsern, zwei Freunden, die eng an ihm klebten und ihm zu sprachen.
An dem Tisch daneben, saßen zwei andere und vollzogen das Bruderschaftstrinken mit Küsschen.

Am nächsten Tag schafften wir es tatsächlich um neun Uhr die Wohnung zu verlassen! Wir hielten auf der Streckenhälfte an und durchquerten einen Zoo. Dort sah ich auch zum ersten Mal einen Elch, der sofort auf Schmusekurs ging und mir seinen Kopf hin hielt.
Sogar ein Rentier war zwischen den Luchsen, Vögeln, Bären, Wildschweinen, Lamas und anderen interessanten Tieren zu entdecken.

Den Abend verbrachten wir mit Jaanas Familie auf deren Bauernhof. Nach dem Grillen (das so ähnlich wie in Deutschland fabriziert wird), wurden wir herum geführt, durften beim Melken helfen, die Kälber bespaßen, Traktor fahren (yeeeeah!!!), saunieren und wurden morgens pünktlich um sechs von den vier Border Collies geweckt (was wir ignorierten und einfach weiterschliefen).
Später gab es sogar ein frisch zur Welt gekommenes Kalb zu begutachten.

Es war ein richtig aufregendes und tolles Wochenende, besonders das Ende auf dem Bauernhof und das Konzert am Freitag, gefielen mir sehr.

Jetzt, zurück im Opisto, überkommt mich die Langeweile. Der Schnee schmilzt nicht und lässt die Welt so trist und öde wirken. Lust auf Unternehmungen habe ich hier nicht, Joggen oder Radfahren wird zur gefährlichen Freizeitaktivität.
Die Studenten machen tagsüber mehrere Wochen lang Praktikas und somit ist überhaupt nichts los.
Bääh... es kommt mir so vor, als würde ich die Zeit hier nur verplempern.

(Glaubt eigentlich jemand von euch an ein Leben nach dem Tod?)

1 Kommentar:

  1. "Wir leben in dem Glauben, dass wir in den Himmel oder die Hölle kommen, ja sogar wiedergeboren werden. Was aber wenn es nichts davon gibt? Wenn all der Glaube an etwas Höheres umsonst ist? Wenn unser Ende, so enttäuschend und endgültig ist wie das Ende von Lost? Und was wenn wir nur im Hier und Jetzt und nicht irgendwann später, die Chance haben, für ein bisschen mehr Himmel oder Hölle in der Welt zu sorgen und wenn über uns kein höheres Wesen richtet, sondern einfach nur wir selbst? Dann sollten wir anfangen die Scheiße hier aufzuräumen."

    Prinz Pi

    Besser kann man es nicht ausdrücken und ich teile dieses etwas düstere Weltbild. Fliegendes Spaghettimonster und so, jaja...

    Gruß Philip

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