Liebes Reisetagebuch,
nach den typischen deutschen Flugverspätungen betrete ich nun doch noch endlich den Hamburger Flughafen. Ein viel zu schwerer Koffer für die kommenden zwei Wochen, schleicht wie ein geprügelter Hund hinter mir her.
In der Halle angekommen erkenne ich nur meine Eltern, weil sie so aussehen, wie sie es immer tun. Den bartigen und Tarzan ähnlichen Kerl, welchen sie im Schlepptau hinter sich haben, erkenne ich erst auf den sechsten oder siebten Blick. Wie in einem der kitschigsten Liebesfilme kommen alle auf mich zu gelaufen – nein geschwebt. Im Zeitlupentempo schleichen sie mir entgegen und scheinen auf halber Strecke allmählich zu schwächeln. Zwischen ihren Beinen ist Bella erkennbar doch auch diese taube Dame kriegt sichtbar keine großen Euphoriestöße bei meinem Anblick. Bestens darauf vorbereitet, ziehe ich eine Hunde-Bifi aus der Jackentasche und im Takt wedeln endlich auch mein Hund und diese Wurst aufeinander zu. Nachdem das Tierchen mich nach einer gefühlten Ewigkeit erkannt hatte, stürzt sie auf mich zu und begrüßt mich, als wäre ich ein halbes Jahr nicht mehr vor ihrer Nase gewesen.
Nun wird mir auch noch der nette Tarzankerl vorgestellt und an seinem Gang erkenne ich Hinweise auf frühere Steinzeitaktivitäten – sein Name ähnelt dem meines Bruders und irgendwann eröffnen sich mir einige Parallelen in meinem Erinnerungsvermögen.
Die allerbeste Überraschung ist, die Anwesenheit meiner liebsten Lisa. Wie sehr hatte ich sie vermisst!
Auch mein neuer Fastunddochnieoffiziellhalbbruder Marvin ist dabei, klein wie eh und je – wahre Größe kommt dann anscheinend wirklich aus dem Herzen.
Ich verbrachte eine Woche in Deutschland und traf jeden Tag meine allerbesten und mir wichtigsten Freunde, die Zeit für mich hatten. Leider konnte ich nicht jeden treffen, da ich nur knappe vier Tage im Lande war. Mit Johanna, Dana und Malin vernaschte ich unendlich viele Früchte, eingetunkt in Schokolade. Sogar Hannah traf ich wieder und zum Glück war alles so wie früher mit uns. Den richtigen Kulturschock bekam ich am Mittwoch, als ich nach Hamburg fuhr um Anna nach so langer Zeit endlich wiederzusehen. So viele Menschen um mich herum, überall. Das wurde mir ziemlich schnell zu viel und es fiel mir sehr schwer mich zu konzentrieren. Woher kamen die bloß alle? Und am Dienstag besuchte ich Julia, Marten, Kathrin und Bernd.
Die ganzen Gespräche taten mir unheimlich gut. Kaum zu glauben, wie schnell ich merkte, dass mir die Menschen und Konversationen gefehlt haben. Erst in dieser Woche begriff ich, wie schwierig ein Freiwilligenjahr sein kann. Besonders auf all die guten Freunde verzichten zu müssen, die mir immer wieder auf die Füße helfen, mich festhalten und mit denen ich jeden Blödsinn machen kann. Überhaupt endlich wieder richtig verstanden zu werden. Zeitweilig wollte ich gar nicht mehr weg aus Deutschland.
Mit meiner Mutter zusammen, verweilte ich dann eine Woche auf Teneriffa. Einmal waren wir in Anaga wandern und ein weiteres in der Masca-Schlucht. Die Tage dazwischen genossen wir das entspannen, die Sonne, Spaziergänge und alles was Frauen noch so lieben. Habe mich ganz spontan dafür entschieden, dort zu bleiben. Denn im Gegensatz zu den Männern in Finnland, tun die Spanier Frauen einfach nur gut.
Meine Rückreise erfolgte am Mittwoch. Alleine stieg ich in den Bus und fuhr zum Flughafen. Durch eine Glasscheibe schrieben mein Dad und ich uns mit den Handys Willkommensgrüße und andere Dinge. Er war gerade angekommen und ich dabei abzufliegen. Schwupps war ich im Flieger und genoss das chronische Schnarchen und den Duft erlesener 10-Uhr-Morgen-Biere. Ich habe mich gleich wie in Deutschland gefühlt. Dank spanischer Pünktlichkeit kam ich zu meinem Bedauern, ich hätte das Stückchen Heimat gerne noch weiter ausgekostet, in Hamburg an und übernachtete dort zu Hause.
Am nächsten Tag kam ich gegen 12 Uhr in Frankfurt an und durfte das Sportprogramm durchlaufen, indem ich von dem B- zum A-Bereich lief. Dann ließ ich mich in A1 nieder und wartete 1 ½ Stunden. Irgendwann fiel mir auf, dass mein Flug immer noch nicht angesagt worden war. Daraufhin verbrannte ich ungefähr die vierfache Menge der Kalorien, die ich zuvor verbrannt hatte und kam tiefrot im Gesicht und schwer atmend bei Gate A24 an. Wer baut eigentlich ständig diese riesigen Flughäfen? Püh!
Eine Stunde später saß ich endlich im Flieger und es ging weiter nach Helsinki. Noch während der Landung erblickte ich ES. Es war weiß. Nicht ein bisschen weiß, nein... alles war weiß. Voller Weiß!
Entgegen all meiner Erwartungen schaffte ich es eine halbe Stunde vor der geplanten Zeit im Camp in Ylöjärvi anzukommen. Der Taxifahrer erlitt beim Ausladen meines Koffers einen Bandscheibenvorfall, den er zum Glück nicht allzu deutlich zu gab. Naja, er soll sich nicht so anstellen.
Die Tage bis zum Sonntag verbrachte ich mit den anderen Freiwilligen, die ich schon kannte und es kamen ein paar neue Gesichter dazu. Während wir uns wieder mal mit typischen Seminarbestandteilen und vegetarischem Essen auseinander setzten, ließen wir die Abende mit der Sauna ausklingen. Da der See zugefroren war, legten wir uns auf ihn und wälzten uns im Schnee. Erst nach dem zweiten Rundgang kam ich auf die Problemlösung der eiskalten Füße. Es hilft zu rennen und die Zehen möglichst wenig den Boden berühren zu lassen.
Ehe ich mich jetzt schlafen lege, habe ich noch einen ultimativen Tipp für Leute, die in überfüllten Reisebussen stets den Platz neben sich frei halten wollen: Setzt euch in den Gang und tut bei jedem Haltestop so, als würdet ihr tief und fest schlafen. Auf diese Weise habe ich mir überbreite, nach Alkohol duftende und nervige Menschen vom Leibe gehalten und bin nach sechs Stunden Busto(rt)ur endlich wieder in Savonlinna angekommen.
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