Sonntag, 1. Januar 2012

finnisches Silvester

Um 16 Uhr herum wusste ich noch nicht, wo ich Silvester verbringen würde. Sieht mir momentan mal wieder ähnlich, denn ich war sogar kurz davor, einfach mal das Fest der Feste zu verschlafen. Hätte mich nicht gestört.
Im nahegelegenen Supermarkt, beim Großeinkauf einer einzelnen Tüte geriebenen Käses, traf ich zwei russische Studenten meines Opistos und wurde sogleich zu einer kleinen Feier eingeladen. Gegen 18 Uhr ging es los. Der Tisch war gedeckt mit unzähligen russischen Gerichten, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Auf jedem Teller war ein riesiger Haufen verschiedener Salate. Sie unterschieden sich lediglich in der Zusammensetzung der Zutaten und einer Menge Kaviar. Todesmutig versuchte ich alle zu probieren, natürlich wurde ich zuvor zu meinem Glück gezwungen, indem einfach alles auf meinen Teller dekoriert wurde, ehe ich das bemerken konnte. Püh! Einfach abgelenkt hatte man mich zuvor.

Es war eine kleine Runde, die von unterschiedlichen Nationen vertreten war. Bangladesh, Afghanistan, Finnland und Russland, achja Deutschland selbstverständlich auch – wie konnte ich das nur vergessen? Dazu dann noch drei kleine russische Kinder, die ich den Abend über immer mal wieder bespaßte.
Das Vorurteil „russische Feiern hängen stets mit Vodka-Exzessen zusammen“ wurde irgendwie, wohl oder übel, bestätigt. Es gab genau drei Getränke zur Auswahl: Sprite (für die Kinder), puren Vodka oder Vodka mit Himbeersaft. Letzteres wurde erbarmungslos nachgefüllt, sobald das Glas halbleer (oder halbvoll?) war. Nach dem Zweiten begann ich möglichst langsam zu trinken, das wurde mir allerdings dadurch erschwert, dass ständig auf das nächste Jahr angestoßen wurde.
20 Uhr nahte und somit auch die Silvesterkinderversion.  

Eingepackt in Winterkleidung, versammelten sich alle Kinder und Familien der Nachbarschaft auf einem Volleyballfeld in der Mitte der Wohnsiedlung. Zuvor durchquerten wir ein Labyrinth unzähliger weißer und sich aufs Haar gleichender Häuser.
Während einige Männer sich ihrem Spieltrieb hingaben und Silvesterraketen in die Luft jagten, eroberte ich das Herz der sechsjährigen Tochter der russischen Mitstudenten. Gemeinsam zündeten wir Kinderböller und Wunderkerzen an, bis nach zehn Minuten alle wieder in ihre Hütten gingen. Passend zur Jahreszeit lag überall ein wenig Schnee herum und verwandelte die Welt in schwarz/weiß.
Zurück im Haus gab es selbstverständlich eine neue Portion des Vodka-Himbeer-Gemischs und das bereitete mir allmählich Kummer. Nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Essen, wurden wir ständig aufgefordert. Langsam verwandelten sich unsere Körper in riesige Kugeln, die angetrunken durch die Gegend kullerten.

Wir hatten wunderbare Gespräche, lachten sehr viel und hörten erstaunlich gute Musik. Um halb zwölf machten wir uns mit dem Auto auf den Weg in die Innenstadt, dort hatten sich gerüchteweise alle Einwohner versammelt. Als wir ankamen, stießen wir auf eine recht übersichtliche Menge von Menschengruppen, die sich natürlich aus Rücksicht auf die anderen mit ausreichendem Abstand zueinander positioniert hatten und warteten. Es war still.
Dass es irgendwann 24 Uhr war, bekam ich nur mit, weil plötzlich ein Feuerwerk startete. Es war recht angenehm zu beobachten, der schwarze See, der sternenklare Himmel – am nahen Horizont explodierende Feuerwerkskörper. Trotzdem fehlte mir die Stimmung. Niemand zählte die letzten 10 Sekunden bis zum neuen Jahr, kein Mensch umarmte aus totaler Freude wildfremde Personen und kreischte mit ihnen zusammen „Yeeeeeeeeeeeah! 2012!!!!!!!!!!!“ - so wie ich es aus Deutschland kenne, keiner raunte „Aaaaaaaaaah! Ooooooooooh! Uuuuuuuuuuuh!“ während des Feuerwerkes, lediglich war ein „Kylmä“ („kalt“) zu hören.
Das Feuerwerk dauerte wenige Minuten und sobald es erstarb, gingen alle wieder ihre Wege.

So endete auch mein Silvester und glücklich über mein warmes Bettchen, schlief ich eine Stunde später ein – zeitgleich rasteten in Deutschland wohl Millionen von Menschen vor Freude aus. Tja. Nächstes Silvester hoffentlich wieder mit mir zusammen!

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