Freitag, 17. August 2012

Abschlussbericht

Nun zum Abschluss des Jahres, sollte ich einen Abschlussbericht mit Beantwortung der Leitfragen verfassen, den ich euch auch zur Verfügung stellen möchte.

 
Das Jahr ist nun vorbei und ich blicke noch einmal zurück auf den Freiwilligendienst.
Als ich nach Finnland ging, hatte ich wenige Erwartungen und das machte es mir leichter, mich an die neue Kultur zu gewöhnen. Finnland, dieses Land liegt gar nicht so weit entfernt von Deutschland und doch überkam mich oft das Gefühl, Deutschland und Taiwan verbinden mehr Gemeinsamkeiten als mit Finnland. Das fiel mir in den Gesprächen mit der anderen Freiwilligen aus Taiwan auf. 
 
Zusammen erlebten wir vieles und verglichen dies häufig mit unseren Kulturen. Es gab viele Punkte, die mir bewusst machten, in einer anderen Kultur zu leben. Auf dem Abschlusscamp der Partnerorganisation erkannte ich, dass ich tatsächlich am Kulturschock litt, eine Tatsache, die ich nie erwartet hätte. Wäre ich nach Indien oder Kenia geflogen, hätte ich das zugeben können, aber in Finnland? 

Vielleicht lag es auch nicht an dem Land oder dieser Kultur selbst, sondern an den anderen Kulturen, mit denen ich mich im Projekt beschäftigte.
Das wäre eine perfekte Ausrede gewesen, die leider nicht anwendbar ist. Denn mir wurde klar, dass auch Finnland erhebliche Unterschiede zu Deutschland aufweist.
Am meisten machten mir die Verhaltensweisen in der Gesellschaft zu schaffen. „Ein Finne spricht nicht mit Fremden, geht dafür jedoch nackt mit ihnen in die Sauna.“

Ich fand in den letzten Monaten doch noch ein paar finnische Freunde. Zusammen kochten wir und gingen saunieren. Die Gespräche blieben stets an der Oberfläche, wurden diese etwas intimer, herrschte betretenes Schweigen und jeder guckte zu Boden. 
 
Als Antwort darauf, schränkte ich meine Gesprächsthemen ein und passte mich an. Einmal geschah es, dass eine Freundin zu weinen begann. Statt sie in den Arm zu nehmen und zu trösten, reagierten die Finnen anders als ich es aus meiner Gesellschaft kannte. Sie begannen sich zu distanzieren, im wahrsten Sinne des Wortes setzten sie sich weg. Nur eine blieb und riss unpassende Witze.
Das verwunderte mich sehr, dachte ich doch zuvor, überall in Europa trösten die Menschen auf ähnliche Weise.
Der Alkohol spielt eine wichtige Rolle für die Finnen und bewirkt einiges Positives. Besonders die Männer treten wortkarg und schüchtern auf, sobald sie angetrunken werden, beginnen sie von sich zu erzählen. Mitte Juli war ich auf einem Rockfestival und begegnete vielen betrunkenen Menschen. Entgegen all meiner Erfahrungen aus Deutschland, wurde ich nicht ein einziges Mal angepöbelt, noch sah ich eine Schlägerei. Im Gegenteil, die Menschen kamen auf mich zu um zu plaudern, sie unterhielten sich freundlich mit Fremden. Es war harmonisch.
Mittlerweile ist mir das Land ans Herz gewachsen und ich habe eine Menge gelernt. Ich gehe alles viel gelassener und ruhiger an, verspüre keinen Zeitdruck mehr. Ich kann in Ruhe zu einem Termin gehen, schlendern und den Weg genießen und komme trotzdem pünktlich an. Außerdem plane ich meinen Alltag nicht mehr, sondern gucke was passiert und worauf ich Lust habe. Erstaunlicherweise lässt sich das mit meinen Pflichten wunderbar kombinieren. Die finnische Ruhe hat meine deutsche Ruhelosigkeit gänzlich ausradiert. Während ich auf dem Steg am See saß und meine Seele baumeln ließ, konnte ich den Moment genießen und verspürte nicht mehr das Bedürfnis über Anstehendes nachzudenken und die Pause zu unterbrechen. Ich spürte den Wind, wie er mich sanft streifte, roch den Duft des Wassers und der Pflanzen, sah wie sich die Fische bewegten und hörte das Zwitschern der Vögel.

Das Auslandsjahr hat mir so vieles gegeben und beigebracht, ich habe mich selbst ein großes Stück näher kennengelernt. Meine innere Stimme ist lauter geworden, den Mut „nein“ zu sagen, trage ich endlich in mir. Bevor ich aufgebe, probiere ich erst mal ob es klappt oder mir zusagt. Ich höre mehr auf mein Bauchgefühl, meine Intuition und stehe zu meinen Entscheidungen.

Ich habe in der kurzen Zeit eine Menge erlebt und dennoch die Frustration und Enttäuschung nicht gewinnen lassen. Fünf Abschiebungen und zwei Selbstmordversuche neuer Freunde, liegen hinter mir und haben mich erkennen lassen, dass ich nur einmal lebe und das Leben zu kurz ist, um alles aufzuschieben und vorläufig unversucht zu lassen.

Das Opisto und alles was dazu gehört, haben mir viele Dinge beigebracht. Ich sehe nicht mehr die Hautfarbe, sondern die Person als Ganzes. Das ist mir sehr wichtig gewesen, denn ich möchte niemanden auf eine oberflächliche Sache reduzieren und verurteilen. Des Weiteren regen mich seit kurzen Verallgemeinerungen auf, obwohl ich selbst in diesem Text welche genannt habe.

Mir wurde die Möglichkeit gegeben, die verschiedenen Bereiche des Projekts auszuprobieren und mir selbst Aufgaben zu suchen. So arbeitete ich viele Stunden in der Küche als Tellerwäscherin und machte diese Arbeit mit Begeisterung, denn ich konnte bei der monotonen Arbeit abschalten und entspannen.
Ich lernte 25 Stunden pro Woche Finnisch und erreichte das A2 Sprachlevel, welches mir die Arbeit in der Rezeption des Hostelbereiches ermöglichte. Dazu gehörten neben dem Kioskverkaufes auch das Telefonieren mit Kunden und Buchungen ausführen, das Erfüllen von Wünschen und die Auseinandersetzungen mit unzufriedenen Gästen.

Hierbei zeigte sich mein Talent fürs Organisieren und Planen.
Während ich den Reinigungsfachkräften half, entwickelte ich Respekt für diese Arbeit und einen besonders großen Schritt machte ich, als ich zur Lehrerassistentin wurde. Einmal hielt ich eine Englisch- und ein anderes Mal eine Finnischstunde ab, die ich zuvor selbst plante und ohne einen offiziellen Lehrer durchführte. Ansonsten unterstützte ich die Lehrer in ihren Unterrichtsfächern, die auf Finnisch abgehalten wurden.
Meine Angst, vor anderen Menschen Klavier zu spielen, überwand ich als man mich bat, Klavierunterricht zu geben. Hierbei blühte ich auf, was mich sehr überraschte. Es brachte mir unheimlich viel Spaß andere zu unterrichten, über meine Geduld und Anpassungsfähigkeit war ich besonders verblüfft.
Während dieser Arbeit, übernahm ich die Leitung der Schulband und brachte fünf sehr unterschiedliche und zeitweise unmotivierte Schüler zusammen, wobei ich ein großes Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen zeigen musste.

Ich muss mir eingestehen, dass ich nicht in der Lage bin, Menschen zu verändern oder den Ort zu beeinflussen, dennoch habe ich mich eingebracht und mein Bestes gegeben. Ich hinterlasse lediglich Spuren, die hoffentlich nicht in Vergessenheit geraten. Allerdings kann ich mich mit dem Gedanken anfreunden, den ein oder anderen Menschen geholfen zu haben, so wie sie es für mich taten.
Mich haben einige Personen berührt, meinen Horizont erweitert und einen kleinen Wandel in mir bewirkt. Und das habe ich vermutlich auch in einigen von ihnen hervorgerufen.
Anfangs verglich ich vieles mit Deutschland und meiner Kultur. Milch zum Mittagessen? Ist das normal?
Warum gucken mir die Menschen nicht in die Augen, wenn ich an ihnen vorbei gehe? An Sylvester standen die Gruppen in Meterabständen zueinander, niemand kreischte, niemand lachte laut auf. Für mich persönlich war absolut keine Stimmung vorhanden. Hatte ich die Atmosphäre missverstanden, nur weil sich nicht Fremde in den Armen lagen und zusammen das neue Jahr feierten? Konnte diese bedächtige Stille nicht auch einen gewissen Charme widerspiegeln? Ich brauchte lange, bis ich schweigen und die Ruhe genießen lernte. 
Mittlerweile erachte ich es nicht mehr als schrecklich unhöflich, wenn auf mein Wort keines des Gegenüber folgt. Ich suche nach keinen Gesprächsthemen, sobald eine Gesprächspause eintritt. Ich gehe auf Menschen zu, spreche sie gezielt an, wenn ich Kontakt aufnehmen möchte. So vieles ist anders in Finnland, im Vergleich zur deutschen Kultur. Viele gingen in Alltagskleidung in Bars, es machte nichts aus, unfrisiert zum Supermarkt zu gehen.
Das Projekt in dem ich war, ist ein ganz besonderes. Es ist abwechslungsreich und fördert die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Ich probierte die unterschiedlichen Bereiche aus und blieb bei denen, die mir Spaß brachten. Meine taiwanische Kollegin hatte sich kurz vor der Anreise eine gute Spiegelreflex-Kamera gekauft und lernte über das Jahr, damit umzugehen. Sie fotografierte auf Festen, zu anderen Gelegenheiten, bearbeitete die Fotos und machte daraus Projekte. 

Ich lernte Finnisch und wandte die Sprachkenntnisse im Umgang mit den Touristen, Studenten und Angestellten an, meine Musikkenntnisse vermischte ich mit meinen Führungserfahrungen und setzte sie in der Schulband und im Klavierunterricht um. Hin und wieder wurde meine Kreativität gefragt, die ich einsetzen durfte.
Ich bin mir sicher, dass die Eigenschaft, sich an kleinsten Dingen und Aufgaben zu erfreuen, sehr wichtig für das Freiwilligenjahr ist. Mit Begeisterung schnitt ich tausende Äpfel, fegte die Sporthalle und half als Lehrerassistentin. Wer mit zu großen Erwartungen kommt, wird enttäuscht sein. Ich kam mit sehr wenigen Erwartungen her und wurde häufig überrascht, wie viel Vertrauen und tolle Aufgaben, auf mich zu kamen.

In meiner Zeit habe ich den Menschen, die am Boden waren, geholfen aufzustehen und nach vorne zu blicken. Ich hörte ihnen zu, spendete Trost und bot meine Freundschaft an. Das war für einige Studenten sehr wichtig. Den Angestellten begegnete ich stets mit einem Lächeln und Aufgeschlossenheit, ich half auch außerhalb meiner flexiblen Arbeitszeiten, wenn Hilfe gebraucht wurde.

Ich wohnte in einem Haus auf dem Projektgelände. Das Zimmer bestand aus zwei uralten Metallbetten und einem kleinen Schreibtisch. Bis zur Stadt waren es ungefähr sechs Kilometer, das ganze Jahr über hielt ich mich dort nur selten auf. Meine Freunde lernte ich im Opisto kennen.
Dieses Jahr hat meine Erwartungen übertroffen, ich hatte mir zwar erhofft, in der Stadt Freizeitaktivitäten auszuüben und Freunde zu finden, letztendlich habe ich eine Alternative auf dem Projektgelände gefunden, mit der ich zurecht kam. Die Betreuung der Sendeorganisation und der, die vor Ort tätig war, benötigte ich selten, doch ich fühlte mich unterstützt, sobald ich Unterstützung brauchte.

Was mich betrifft, hätte ich gleich am Anfang des Jahres (im September) Freunde in der Innenstadt suchen können. Das bereue ich ein wenig. Ansonsten war alles wunderbar.
Ich hoffe, ich kann all das Erlernte auf den deutschen Alltag und meine Zukunft anwenden, mit anderen Menschen meine Erfahrungen teilen und Denkanstöße geben.
In diesem Jahr bin ich weit über mich hinausgewachsen und habe eine Menge dazu gelernt.

Mittwoch, 1. August 2012

Abschied

Der August beginnt heute und hinter mir liegt ein ganzes Jahr.
Übermorgen reise ich ab und lasse Finnland vorübergehend hinter mir. Ich möchte mich herzlich bei euch allen bedanken. Mir hat das Schreiben sehr viel Spaß gebracht und zu meinem Erstaunen, wurde der Blog rund achttausendmal besucht. Eine ziemlich große Zahl, die ich nicht erwartet habe.

In mir steigt nun die Reiselust, das wird ein richtiger Spaß mit zwei großen Koffern von Savonlinna zum Flughafen zu reisen.
Doch zuvor wird es Zeit für einen kleinen Rückblick.

Letzten August kam ich im regnerischen Helsinki an, kannte bis auf zehn Begriffe, keines der finnischen Wörter. Nach zwei Tagen, die ich in finnischen Kneipen verbrachte, war ich zwei Wochen lang in der Nähe von Lappeenranta mit anderen ausländischen Freiwilligen. Wald, See, Einsamkeit, erster Kulturschock.
Danach begann mein Arbeitsalltag, ich traf viele Menschen aus zwanzig verschiedenen Nationen, lernte vieles über deren Kulturen, gewöhnte mich an die Eigenheiten und merkte, dass es nicht so einfach ist, finnische Freunde zu finden. Im November ließ mich die ständige Dunkelheit in ein tiefes Loch fallen. Den Winter verbrachte ich mit Sauna, Skifahren und in meinem Zimmer. Ich lernte eine Menge Finnisch, besuchte für eine Woche Deutschland und flog nach Spanien, um Sonne zu tanken. Mit dem Frühling kam meine Fröhlichkeit wieder, ich erkundigte die Waldregion um Savonlinna herum, besuchte andere Freiwillige, fand finnische Freunde und lernte eine Menge über mich selbst.
Zusammengefasst kann ich sagen: Dieses Auslandsjahr war die beste Entscheidung!
Lebt eure Träume, nehmt eure eigenen Wünsche und Bedürfnisse ernst. Wir leben nur einmal und wissen nie, wann sich das Leben dem Ende neigt.
Manchmal gehört dazu Mut, einen neuen Schritt zu wagen. Das darf euch nicht davon abhalten, es zu probieren.

An dieser Stelle verabschiede ich mich und werde hier vielleicht demnächst meinen offiziellen Abschlussbericht, den ich für den IJFD schreiben soll, hochladen.

Liebe Grüße
Rica

Donnerstag, 12. Juli 2012

Freikarten

Noch eine halbe Stunde bis ich abgeholt werde. Leicht panisch renne ich durchs Haus. Duschen? Nee das schaff ich nicht mehr, oder doch? Ich entscheide mich dagegen, stürme in mein Zimmer. Schminke, wo hatte ich die bloß hingelegt? Im Kleiderschrank und den beiden Koffern ist sie nicht, auch nicht im Chaos, das sich auf dem zweiten Bett breit machte. Schublade! Ich pudere meine Nase, schminke meine Wimpern.
Es ist schwül und warm in meinen Zimmer, einzelne Gewitterwolken ziehen am Fenster vorbei. Kurz darauf steht das Auto vor dem Haus, ich stürze hinaus und begrüße Anne, eine Arbeitskollegin. Wie geht es dir, fragt sie mich. Wir halten den üblichen Smalltalk, ich gucke währenddessen in meiner Handtasche nach ob ich an die Konzertkarte gedacht habe, welche ich geschenkt bekommen habe.

In der Stadt suchen wir verzweifelt einen Parkplatz, die Zeit rennt und die anderen nehmen uns die Parkmöglichkeiten weg. Anne fährt über die große Brücke an der Burg vorbei, sie wisse wo sie hinfahre, meint sie. Endlich kommt das Auto zum Stehen, wir steigen aus und laufen die geteerte Straße hinauf, ich klettere mit hohen Schuhen über Bahngleise und eine Absperrung. Die Zugbrücke ist kürzer als die für die Autos. Die restlichen zweihundert Meter führen über einen Kieselweg, ziemlich spaßig mit den falschen Schuhen. Trotzdem lasse ich mir nichts anmerken, versuche möglichst elegant die Strecke zu meistern.

Vor Olavinlinna, so heißt die berühmte mittelalterliche Burg, stehen unzählige Menschen Schlange. Sie unterhalten sich leise, kaum ein Ton dringt zu mir vor. Etliche haben richtig schöne Kleider und Anzüge an, ich fühle mich underdressed. Die meisten sind locker dreißig Jahre älter als ich. Es dauert eine halbe Stunde, bis wir endlich in der Burg und an unseren Plätzen sind. Ich nehme in der siebten Reihe, ganz weit vorne neben der Bühne, Platz. Ungefähr 2500 Sitzplätze stehen zur Verfügung, ein Raunen geht durch die Menge, als es endlich dunkel wird. Zwei lang- und ein kurzhaariger betreten mit ihren Cellos in der Hand die Bühne. Das Publikum klatscht vornehm. Von hinten kommt ein weiterer, der sich hinter Schlagzeug setzt. Es geht los. Der Saal wird in grünes und später in rotweißes Licht getunkt. Die Cellisten spielen einige Musikstücke, die Menge lauscht. Endlich taucht ein Sänger auf, erste Menschen fangen an ihre Köpfe hin und her zu bewegen. Eine tolle Show beginnt, der Schlagzeuger schleudert die Sticks durch die Luft und fängt sie wieder auf. Die Cellisten spielen in allen erdenklichen Weisen, reißen sich die T-Shirts von Leib. Die Frauen kreischen verzückt. Mal wird das Cello über den Kopf gehalten und bespielt, mal liegt es fast am Boden. So als wären diese Instrumente E-Gitarren. Fehlt nur, dass einer von ihnen seines zerschmettert. Dazu Headbanging, die langen Haare fliegen durch die Gegend.

Pause.

In allen Richtungen quetschen sich die Leute zu den Getränkeständen. Die Unterbrechung ist fast vorbei, als ich endlich frische Luft schnappen kann. Mit einem Gong werden wir zurück zu unseren Plätzen geschickt.

Apocalyptica kommt zurück auf die Bühne, dieses Mal scheinen die Finnen endlich Feuer gefangen zu haben. Sie trampeln mit den Füßen und klatschen laut. „Wir wurden gefragt, ob wir statt Metall auch Orchestermusik beherrschen“, erzählt einer der Cellisten.
Sie setzen sich auf die Stühle, drei andere Männer betreten die Bühne. In den Händen halten sie Trompete, Horn und Posaune. Es ist unbeschreiblich grotesk, wie drei Männer in typischem Metall-Outfit, Bach und Wagner spielen. Der Schlagzeuger begleitet auf dem Kontrabass.

Die Menge tobt. Standing Ovations folgen. Jeder im Publikum steht und klatscht, jubelt und pfeift. Ab da ist selbst der Letzte ergriffen, wir tanzen zu den nächsten Stücken, gecoverte Versionen anderer Bands folgen. Nach einer Weile setzen wir uns alle wieder, bis auf eine alte Dame im Opernkleid. Sie tanzt und bewegt ihren Kopf als würde sie headbangen.
Am Ende des zweistündigen Konzertes gibt es noch mehrere Zugaben, bevor wir wieder nach Hause fahren.



Den nächsten Tag verbringe ich mit einer Freundin, welcher ich beim Umzug und Putzen der neuen Wohnung helfe. Zusammen kaufen wir ihr abschließend ein Bett, welches ich am liebten selbst gehabt hätte. So weich und fluffig ist es.

Um sechs Uhr erreicht mich ein Anruf von Eija, die mich fragt, ob ich mit zur Oper wolle. Um sieben solle ich draußen warten, sie werde mich abholen. Eine Stunde zum schick machen für eine Oper? Eine neue Herausforderung!

Wieder eile ich in mein Zimmer und versuche mich irgendwie passend zu kleiden. Ich entscheide mich für das rote Sommerkleid und werde tatsächlich kurz darauf abgeholt. Jarmo parkt das Auto auf dem Parkplatz seiner Mutter, die in der Nähe der Burg wohnt. Zu dritt spazieren wir zur Olavinlinna. Da es regnet, brauchen wir weniger Zeit um in die Festung zu gelangen, denn die Menschengruppen stürmen zeitweise hinein und trödeln nicht mehr.

Dieses Mal habe ich eine Freikarte für die zwölfte Reihe erhalten. Wieder sehr weit vorne, leider nicht nah genug, um das Orchester spielen zu sehen. Dafür kann ich den Kopf des Maestros beobachten, der sich wild auf und ab bewegt.
Die finnische Version der Zauberflöte ist sehenswert. Das Bühnenbild wirkt schlicht, drei Bäume stehen in der Mitte und in ihnen sitzen Männer, die sie hin und her bewegen lassen. Papageno überzeugt mich am meisten. Seine Mimik und Gestik sind überragend, sein verschmitztes Lächeln lässt sich selbst über die Entfernung erkennen. 
Die Atmosphäre in dem Innenhof der Burg ist voller Spannung und Hoffnung. 
Wird Tamino die Prüfungen bestehen? Findet Papageno endlich seine große Liebe? Was geschieht mit Pamina? Und ist Sarasto wirklich durch und durch böse, so wie er sich anfangs gibt?

Plötzlich wird der Saal dunkel, bis auf einmal warmes Licht den Hof durchflutet. Auf der Bühne steht der riesige Chor, gekleidet in Weiß und lässt mich die Luft anhalten. Welch schönster Anblick!
Die Opernsänger und Schauspieler versammeln sich, Papagenos Kinder toben von der einen zur anderen Seite.
Das Happy-End lässt jeden zufrieden und lächelnd die Burg verlassen.
         
Doch anstatt zurück zum Opisto zu fahren, gehen wir drei in unserer schicken Kleidung zu Subway. Das erste Mal für meine beiden Begleiter.

Samstag, 30. Juni 2012

Mitsommer

In einem Handtuch gehüllt, saß Eija vor dem Holzhäuschen und begrüßte uns. Nach einer kurzen Unterhaltung begleiteten sie und ihre Schwester uns, Jaana, Popo und mich, in die Sauna.
Seit Tagen schien die Sonne das erste Mal am wolkenlosen Himmel und nach einigen Runden durch den See, legten wir uns auf den Steg und genossen die Sonnenstrahlen, die unsere Haut kitzelten.

Die angenehme Entspannung wurde von einer Männerstimme zerstört, welche uns aufforderte, endlich den Platz und die Sauna zu räumen. Unsere Zeit war vorbei.
Ich ging in die Küche und half ein wenig beim Tischdecken, bis mir Fleisch in die Hand gedrückt wurde und ich zu meinem richtigen Job wechselte. Grillen.

Den frühen Abend verbrachten wir speisend auf der großen Terrasse, lachten und tranken. Zwischendurch tauchten Freunde von Eija mit einem Motorboot auf und gesellten sich zu uns.

Das große Juhannus - Feuer wurde entzündet, ich saß auf einer Schaukelbank und bewunderte es von weiter Ferne. Ich weiß nicht wie, aber wir kamen auf die Idee mit einem Boot dorthin zu fahren. Also sprangen vier andere mit mir in den Holzkahn, ein Wunder dass wir nicht kenterten, und fuhren zur Mitte des Seeabschnittes, in der sich der Fels mit dem Feuer befand. Je näher wir kamen, desto wärmer wurde es. Um die Flammen herum, kreisten aufgebrachte Möwen. Auf dem Wasser befanden sich mehrere Boote, die das Spektakel aus nächster Nähe betrachteten.

Unsere Getränkedosen neigten sich dem Ende zu, deswegen stiegen wir Jüngeren notgedrungen auf ein größeres Motorboot um und fuhren zurück zum Haus. Die Stimmung stieg antiproportional zu der Menge der Getränke. Mit einer großen Auswahl verschiedener Eissorten, setzten wir uns in den verglasten Pavillon und entfachten ein kleines Feuer in der Mitte. Der Abend wurde immer lustiger, die Gespräche jedoch auch einfacher und wir vermischten verschiedene Sprachen.

Plötzlich kamen wir auf DIE Idee. Wir könnten mit einem Boot zu einer Tanzhalle fahren, die einige Kilometer von uns entfernt war. Dort gäbe es zwar kaum Menschen und eigentlich nur Ältere, aber immerhin Betten. Eine halbe Stunde diskutierten wir darüber, bis wir uns schließlich doch dagegen und für etwas viel vernünftigeres entschieden.

Mitternachtssauna.

Dazu sei gesagt: jeden Mittsommer gibt es makabre Wetten über die Anzahl der Ertrunkenen an diesem Tag. Denn, ob du es glaubst oder nicht: Alkohol und See ergeben eine gefährliche Mischung.

Nur waren wir leider zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage uns über mögliche Konsequenzen im Klaren zu sein. Im Gegenteil, Popo und ich hantierten sogar mit Feuer und erwärmten somit die Sauna.
Während der Erwärmungsphase, saßen wir beide in dem Entspannungszimmer und als die Sauna endlich warm war, forderte ich die anderen Frauen auf, endlich zu uns zu kommen. Das nahm allerdings einige Zeit in Anspruch.

Nach einer ganzen Weile ließen wir uns endlich erhitzen und nahmen ein Bad im See. Es gibt nichts besseres als Mitternachtssauna und es war fast noch so hell wie tagsüber.

Da wir gegen zwei Uhr voller Energie waren, entschlossen wir uns schweigend einer alten Tradition zu folgen. Naja, aus Zweien machten wir eine. Die Erste besagt: Pflückt ein Mädchen in der Mitsommernacht sieben verschiedene Wildblumen und legt diese unter ihr Kopfkissen, so wird sie in der Nacht von ihrem Zukünftigen träumen. Die Zweite verspricht den Zukünftigen zu sehen, wenn das Mädchen dreimal gegen den Uhrzeigersinn um einen Brunnen läuft und dann in das Wasser blickt.

Am Ende der Nacht, kletterte ich eine schmale Leiter zu einem Dachboden über der Sauna und legte mich dort in ein Bett. Es war warm. Fast wie in der Sauna.

Stunden später, nach einem Traum von zehn verschiedenen Kerlen, einem Bad im See und einer Dusche, gesellte ich mich zu der restlichen leicht verkaterten Gruppe. Wir stellten ein kleines Frühstück bereit und legten uns danach in die Sonne. Eija überraschte uns alle mit selbstgemachten Pfannkuchen, zu denen es Eis und Marmelade gab. Ich war im Paradies.

Daraufhin legten wir uns wieder für ein Verdauungsschläfchen auf den Steg. Bis am Nachmittag die Ruhe von einem Handy gestört wurde. Ehe ich mich versah, saß ich schon in einem großen Auto, das zu einer kleinen Fähre fuhr. Mit mir der Großteil der Gruppe. Wohin wir fuhren, hatte ich nicht so ganz begriffen. Einigen anderen erging es genauso. Mit der Fähre setzten wir zu einer Insel über, die irgendwann endete und zwar an einem kleinen Steg. Dort holte uns ein Motorboot ab, ich fühlte mich wie James Bond.
Mit dem Teil überquerten wir erneut den See, fuhren an Inseln vorbei und umrundeten ein altes Dampfschiff. Ende der Reise.

Uns begrüßten einige Freunde von Eija und wir wurden aufgefordert, auf das Schiff zu klettern. Ein Traktor mit einer Hängerladung Holz erwartete uns. Rund fünfzehn Menschen reihten sich in zwei Linien auf und reichten die zerschnittenen Birkenstämme weiter. Die eine Hälfte Holz ging in den heißen Maschinenraum, indem ich für eine halbe Stunde arbeitete und die andere wurde an Deck gelagert. Die Arbeit dauerte etwas über eine Stunde und anschließend gab es Pfannkuchen mit Pilzragout. Erschöpft sonnte ich mich an Deck und schlief hin und wieder ein. Dann fuhr das Schiff los, mit schrillen Geräuschen und lautem Gehupe. Sollte anscheinend ganz Finnland wissen, dass wir ablegten.

Erstaunlicherweise nahm das Teil ziemlich schnell an Fahrt auf und nun sah ich den See Saimaa von einer ganz anderen Seite. Die Natur ist beeindruckend.
Felsen, Inseln, Bäume und Wasser. Dazu ein perfektes Wetter, einige Kinder um mich herum und gut gelaunte Menschen.

Ich machte eine Rundführung mit, sah mir die Sauna und die Kajüten an und beobachtete wie die Maschinen das Schiff in Fahrt brachten.
Dann versuchten die Männer einzuparken. Das ist anscheinend nicht so einfach mit dem riesigen Kahn. Erst fuhren wir vorwärts am Pier vorbei, dann drehten wir uns und fuhren ein wenig rückwärts, bis es wieder vorwärts ging und eine Kurve gedreht wurde. Letztendlich legten wir perfekt am Pier an und konnten landen. Dort verließ mein Teil der Gruppe das Schiff und wir machten uns auf den Weg zu einer Fähre, die zwei Kilometer entfernt anlegte.
Zurück auf dem Festland, wartete unser Fahrer bereits und fuhr uns zurück zu Eijas Haus und das war das Ende des perfekten Mitsommerfestes.

Donnerstag, 21. Juni 2012

Gastbericht von meinem besten Freund Timm

Das Privileg zu haben einen der letzten Blogeinträge zu verfassen, habe ich gerne genutzt. Ich hoffe das die aufmerksamen und stetigen Mitleser gefallen an diesem Text finden werden. Ich, Timm habe 4 Tage lang die Gastfreundschaft von meiner besten Freundin Ricarda genossen und auch überlebt.

Ich schreibe dies, während ich dabei bin dieses Land zu verlassen, was mir angesichts klitschnasser Klamotten auch nicht mehr ganz so schwer fällt. Aber da das Schiff nach Schweden erst in einer Stunde ablegt, will ich die Zeit nutzen, um meine Erlebnisse und Eindrücke in Textform zu verpacken.

Angekommen bin ich letzte Woche Sonntag im sonnigen Helsinki, wo ich mich sofort in Bus und Zug nach Savonlinna begeben habe, geplant war was anderes aber Pläne sind ja auch manchmal recht doof. Um kurz vor 23 Uhr war ich dann auch tatsächlich da,
ein Wunder da manche Züge nur knapp 5 Minuten Umsteigezeit hatten. In Deutschland hätte ich wohl auf einem Bahnsteig übernachten müssen, da ich den Anschlusszug verpasst hätte. Aber hier im Land wo man die Uhr nach dem Zug stellen kann, war ich pünktlich da und über das helle Licht verwundert. In der ganzen Woche war es nie dunkel. Nur ein bisschen dämmerig um 1 Uhr rum, aber das war es.
So liefen wir nun den Weg zum Opisto, eine recht schöne Strecke, die auch verdammt gut tat nach knapp 7 Stunden herum sitzen.

Der nächste Morgen begann recht früh, Rica musste arbeiten und ich hatte keinen Lust meinen knapp bemessenen Urlaub mit Schlaf zu vergeuden. Also unter die Dusche und das Opisto bei Tag betrachten und siehe da. Traumhaftes Wetter, bestimmt über 25 Grad und praller Sonnenschein. Eine klare Sache sich daraufhin das Badetuch zu schnappen und erst mal in den wunderschönen See zu springen. Kaltes klares Wasser und kein Mensch sonst. Wundervoll. Nach einem ausgiebigen Sonnenbad ging es am Nachmittag darum eine Alibiarbeit zu finden, damit ich kostenlos speisen durfte. Mit knapp 3 Stunden Rasenmähen hatte ich für den Rest der Woche eine Basis in der Kantine. Obwohl bei dem Essen eher die Köche hätten zahlen müssen, dafür das man dies über sich ergehen lässt.

Nun ja, der Dienstag wurde von Regen, laufen, gehen und Filmen veranschlagt.
Mittwoch ging es in die finnische Sauna, kurz davor waren wir noch auf einem Kurztrip in Savonlinna, wo uns die Sonne doch überrascht hatte. Es war sehr warm.

Die finnische Sauna und ihr Ablauf ist in einem anderen Bereich ausführlich beschrieben geworden. Deswegen gehe ich hier nicht mehr darauf ein. Ein Wort zudem, es war toll und eigentlich möchte man dieses Gefühl nicht mehr missen. Die Sauna auch selbstständig zu heizen und im kleinen Kreise zu nutzen, rundete diese Reise wundervoll ab.

Der Donnerstag, ein Tag wie alle anderen und doch speziell, ein älterer Finne und ein Afghane mit speziellen Vorlieben, aber einem wunderbaren Tee und ein sehr guter Gastgeber machten vor allem den Abend zu einem besonderen Erlebnis.

Nun das Schiff ist inzwischen abgelegt, ich schwimme durch die Schären um Turku und in den Gedanken bin ich noch in Savonlinna. Es ist der Höhepunkt dieses Jahres. Diese Chance genutzt zu haben und zu Ricarda zu fahren und mein Versprechen einzulösen ist ein super Gefühl.

Am Freitag verließ ich Rica in aller Frühe. Meine weitere Reise geht über Tampere, Valkeakoski, Turku und Stockholm bis zum Flughafen in Helsinki. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ein Hinweis für Finnland-Schweden Reisende:
Finnische Fähren sind mit Vorsicht zu genießen. Ein Strudel des Vergnügens, mag ich an dieser Stelle einfügen. Die Finnen fahren hauptsächlich damit um zu feiern.

Mittwoch, 6. Juni 2012

das Ende der Welt

Es war einer dieser typischen langweiligen Tage, an denen sich alles, ja wirklich alles, in die Länge zog. Ich starrte gelangweilt die Decke an, hörte dabei Musik. Setzte mich an meinen Computer. Nichts half. Die Zeit verging einfach nicht. Mir fehlte es an einem Hobby. Irgendeiner Freizeitbeschäftigung, der ich am Wochenende nachgehen konnte. Hier im Ausland. Wie hatte ich das die vorherigen Monate bloß überlebt? Fernab von alten Freunden, umgeben von unzähligen Fremden, die alle nur einer anderen Sprache mächtig waren. Nichts konnte meine besten Freunde ersetzen. Zwar habe ich hier neue Bekanntschaften gemacht, ziemlich viele genauer genommen. Nur sind die meisten mittlerweile abgereist und auf das ganze Land verteilt.
Alles was ich mir aufgebaut hatte. Mein neues soziales Kommunikationsnetz. Da gab es zum Beispiel die Frauenrunde, mit der ich wundervolle Stunden in der Sauna verbrachte. Oder die Männer, welche mich zum Essen und Filme ansehen, einluden.

Verschiedene Gesellschaften, welche mir alle ein kleines Gefühl der Zugehörigkeit vermittelten.
Alles vorbei. Aus und vorbei.
Meine Gedanken schwirrten im Kreis. Sehnsucht und Einsamkeit machten sich breit. Ich vermisste meine neuen Freunde. Und meine alten. Je mehr Gedanken ich daran verschwendete, desto trauriger wurde ich.
Unterdrückung der Gefühle ist ein notwendiges Übel. Ich wollte mich nicht mit dem Verlust auseinander setzen, viel lieber nach Ablenkung suchen.

Also setzte ich mich auf und schlüpfte in herumliegende Socken und meine Laufschuhe. Wozu war ich im Land der Seen und Wälder, wenn ich das nie ausnutzte?
Ich lief los, erst die Straße entlang. An etlichen Häusern. Sie ähnelten sich alle sehr. Bungalows, in unterschiedlichen Farben angestrichen. Rot, gelb, blau und grau. Für die Gärten hatten sich die Bewohner noch weniger Mühe gegeben. Höchstens kümmerten sie sich um das Gras. Blumen und andere Pflanzen existierten nicht, oder wuchsen wild vor sich hin.

Die Straße ging ohne Kurve über mehrere Kilometer hinweg. Bergab. Nein, es war eher ein Hügel, den ich hinunter lief. Deswegen hatte ich auch ein gutes Tempo drauf. An der Weggabelung bog ich nach links und dann nach rechts ab. Die Straße verwandelte sich in eine Schotterpiste, mit einem kleinen parallelen Waldpfad, den ich wählte. Ich verlangsamte meine Geschwindigkeit und genoss den hundert Meter langen weichen Weg.

Dann mündete er wieder in die Schotterstraße, welche ich ein Stück verfolgte. Bis ich an einer Kreuzung rechts abbog. Ein Fehler. Am Ende stellte er sich als Sackgasse heraus. Ich kehrte um, lief den Waldweg zurück, bog wieder links ab und entdeckte dann einen Pfad, der höchstwahrscheinlich wirklich in den Wald führte.

Er war ungefähr zwei Fuß breit, führte Hügel hoch und hinunter. Schlängelte sich an kleinen Bächen vorbei, über die Menschen Holzplatten zur Überquerung gelegt hatten. Links und rechts standen unzählige grüne Bäume, die ersten Frühlingsblumen wuchsen. Gelbe Blüten zierten die Bäche. Eine Weggabelung tauchte auf, ich bog links ab. Es ging hinunter. Meine Füße balancierten über Baumwurzeln und Steine entlang. Ich wurde wieder schneller und geriet bei dem Auf und Ab außer Atem.

Bei den folgenden Kreuzungen, wählte ich oft den linken Pfad. Stets im Hinterkopf, dass mein Wohnort rechts von mir lag. Irgendwann entschied ich mich, mehr in meine Hausrichtung zu begeben, überquerte Flüsschen, Hügel, Wurzeln und fand mich auf einem Felsen wieder. Ich näherte mich vorsichtig dem Abgrund und machte lieber wieder einen Schritt zurück. Das ging ein wenig zu tief hinunter. Nun folgte ich einem anderen Waldpfad, der mich über offene Felder führte. Felder auf denen tote Bäume herum lagen, dessen Wurzeln aus dem Boden ragten. Der Pfad wurde schmaler, die Kurven vermehrten sich. Es ähnelte fast einem Slalomparcours.
Es brachte so viel Spaß durch die Natur zu laufen, das Glück sprudelte nur aus mir heraus. Ich kicherte vergnügt, folgte meinen Gedanken. Alten Fantasien, die ich als Kind immer hatte. Rannte und rannte. Über Stock und Stein, hangelte mich unter umgefallenen Bäumen entlang. Einmal fiel ich beinahe hin, doch ich konnte mich gerade noch so wieder in Balance bringen.

Mir ging es so gut. Weitab von sämtlichen Menschen. Eins mit der Natur. Vögel zwitscherten, knatterten mit ihren Schnäbeln, das so klang, als wären sie Paparazzi-Vögel. Mit alten Kameras flogen sie herum und fotografierten die kleine Welt unter ihnen. Die grünen Blätter rauschten, spielten mit dem Wind. Ich hockte mich auf einen der Felsen am Ende der Welt und genoss den Moment.

Gerüche von Blüten, Gräsern und Blättern umgaben mich, wohlig schloss ich meine Augen und ließ das alles auf mich wirken. Die Sonne kitzelte mein Gesicht, ein Gänseschauer kletterte meine Arme entlang.

Das Ende ist nicht das Ende des Ganzen, vielmehr ist es ein Halt, ein Ort zum Verweilen, Rasten, von dem es weiter geht.
Wenn die Zeit gekommen ist.

Sonntag, 3. Juni 2012

wie ich eine unvergessliche Erfahrung machte

Lang ist es her, doch nun schreibe ich wieder ein wenig über mein mehr oder minder aufregendes Leben.
In der letzten Zeit hat sich nämlich so einiges verändert und ich habe viele neue Erfahrungen gesammelt.

An dem Wochenende nach Annes Besuch, fuhr ich erneut nach Helsinki. Dieses Mal um meine Familie zu treffen. Für meine Mutter war dies die erste Reise nach Finnland und ich hoffe, sie hat nun schöne Erinnerungen davon.

Am Freitag spielte die kanadische Eishockeygruppe gegen die finnische und es versetzte mir einen Stich ins Herz, als meine kurzfristige Wahlheimat verlor. Doch ich wurde ziemlich schnell darüber hinweg getröstet, denn wir unternahmen eine Menge. Ich kenne Helsinki ja mittlerweile relativ gut, zumindest das Zentrum. Bin da unzählige Male kreuz und quer durchgelaufen und trotzdem konnte ich dank einer Stadtrundfahrt ganz neue Ecken entdecken. So besuchten wir zum Beispiel die Felskirche, sahen ein sehr teures Stadtviertel und weitere Teile des Hafens.

Am besten fand ich es jedoch, endlich mal in einem richtigen Bett zu schlafen. Eine Nacht ohne Rückenschmerzen zu haben, das war mir die weite Anreise wert.
Das ganze Wochenende war einfach nur wonderbra, ich war richtig glücklich, die drei wiederzusehen und denke, es wird mir leicht fallen, nach Deutschland zurückzukehren. Am Sonntag war mein Geburtstag, den wir denkwürdig feierten, bis ich leider die Heimreise wieder antreten musste. Abends übernachtete ich bei einer Freundin in der Innenstadt von Savolinna, weil wie immer kein Bus zurück zum Opisto fuhr.

Das Wochenende darauf mussten Popo (meine Mitfreiwillige) und ich nach Jyväskylä fahren. Es war eine Qual, denn rund 8 Stunden Anfahrt zu einem Abschlusstreffen unserer Organisation zu fahren, ist schlicht und ergreifend einfach grausam.
So saßen wir ewig in Zügen, bis wir endlich in Tampere ankamen. Es gibt nämlich keine Direktverbindung von Savonlinna nach Tampere - Luftlinie liegt unter 300 Kilometern.

Das Camp an sich war öde. Überraschend war nur die Hälfte unserer Ursprungsgruppe anwesend, dafür aber über 30 finnische Freiwillige, die sich auf ihre Abreise ins Ausland vorbereiteten. Wir Altfreiwilligen saßen das Wochenende schweigend herum, so wie wahre Finnen es tun. Wir hielten brav Abstand zueinander, verhielten uns ruhig und finnisch.
Die Finninnen und der eine Finne jedoch, quatschten in einer Höllenlautstärke, drängten sich ständig an uns und wollten uns umarmen! Das war echt zu viel des Guten.
Kulturschock hoch drei!

Wie soll das bloß werden, wenn wir in unsere Heimaten zurück kehren? Wir sind so stark an Finnland angepasst, dass uns Menschenaufläufe schnell zu viel werden.
Nach dem ich vier Tage überstanden hatte, die mit Übungen und Themen gefüllt waren, die wir beim letzten Camp bereits gehabt hatten, kehrte ich übermüdet und genervt nach Savonlinna zurück. Wie sehr hatte ich die Stadt vermisst! Das kann sich keiner vorstellen.

Doch kaum zurück, kam der Spaß wieder. Ich bekam neue Aufgaben bei der Arbeit, durchlitt nochmal einen bodenlosen Tiefschlag, den ich langsam zu verkraften lerne und dann erfasste mich der Aufwind wieder. Nur dann kam auf einmal der 1. Juni. Tag des Abschieds. Von all meinen Freunden. Abreise aller Studenten, Ende des Schuljahres.

Ich verabscheue Abschiede, besonders wenn sie ungewollt sind. Ob ich einige von ihnen wiedersehe, wird sich noch herausstellen. Etliche vermisse ich ungemein und das hätte ich nicht erwartet.
Zu meiner Überraschung bekam ich an dem Tag auch ein Zeugnis. Mit der Bestnote. Und mein Sprachgrad beläuft sich auf A2. Das nach sechs Monaten Finnisch-Studium. Ich bin stolz auf mich.
Auch meine Arbeitsbewertung hat mich fast umgehauen.

Um am Abend nicht mit trüben Gedanken die Decke anzustarren, traf ich mich zu einem internationalen Treffen.
Wir hatten eine Mission zu erfüllen. Drei Finninnen, ein Finne, Popo und ich. Wir versammelten uns und testeten 23 Longkeros. Das ist eine finnische alkoholische Spezialität, die es mit verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt. Anfangs fielen die Bewertungen noch sehr schlecht aus, je mehr wir davon tranken, desto mehr Punkte gab es. Außerdem erlebten wir ziemlich eindrucksvolle Stimmungsschwankungen, die von Aggressivität (Papierrolle nach jemanden werfen) über einem Flirt mit einem Hund bis zu hysterischen Lachattacken, die mit einem Schluchzen und Tränen endeten.
Der Abend war also ein voller Erfolg! Denn jetzt weiß ich, welche Longdrinks ich am meisten mag und welche ich niemals kaufen werde.

Der absolute Höhepunkt kam auf der Heimfahrt um 2 Uhr nachts. Mittlerweile ist es fast ununterbrochen hell und so sah ich etwas, was mein Herz erweichte.
Ich hatte es nicht mehr erwartet, nicht gewagt es zu erhoffen. Ich werde diesen Moment nie wieder vergessen.
Das erste Mal in Finnland sah ich einen Elch in freier Wildbahn.
Selbst wenn es nur das Hinterteil gewesen ist!

Mittwoch, 16. Mai 2012

Gastbericht von meiner Freundin Anne...

...die mich vor zwei Wochen besucht hat.



Ich möchte euch über eine wundervolle tolle Zeit in Suomi erzählen mit einer mindestens so tollen Rica. In meinem Leben führte mein Weg noch nie nach Finnland, obwohl ich auch dieses Land einmal sehen wollten. Nach vielen Wandertouren und Sommerlagern durch die hügelige, mit fjorden übersäte Landschaft Norwegens und den typischen Kanutouren durch Schweden, stand das dritte skandinavische Land auf meiner „To-visit Liste“. Und so kam es dann auch.

Ich kann es ganz kurz zusammenfassen: Es war eine wunderschöne Zeit und diese eine Woche kam mir durch all die Erlebnisse vor wie Monate.
Unsere Reise war in verschiedene Etappen geteilt, sodass uns auch nie langweilig wurde. Drei Tage in Vihti bei einer Armenischen Freiwilligen, die mit einem weiteren Freiwilligen in einem Geisterhaus wohnt (es spuckt dort wirklich und ich hatte echt ein bisschen Schiss . ). Dann ging es nach Helsinki zum Vappu Fest, zu dem ich auch gleich nochmal genauer komme und dann nach 2 Tagen dort sprangen wir auf die nächste Fähre nach Tallinn, wo wir somit weitere 2 richtig tolle Tage in Estland erlebten.

Das Vappu Fest war echt eine Erfahrung und ich schilder euch einfach mal meine Eindrücke.
Aber ich glaube niemand kann es theoretisch so gut zusammenfassen, wie wikipedia und deshalb folgendes: „Vappu (Finnlandschwed.Vappen, der 1. Mai) ist in Finnland das Fest des Frühlings, der Studenten und der Arbeiter. Vappu ist ein gesetzlicher Feiertag. Der Termin und die damit verbundenen jahrhundertealten Traditionen stehen in der Tradition der Walpurgisnacht. Seine politische Bedeutung entspricht dem deutschen Maifeiertag.

Vappu wird in Finnland seit dem Mittelalter gefeiert und hat sich darüber hinaus seit 1870 zu einem großen Fest der Studenten entwickelt, von denen er besonders intensiv begangen wird. Finnische Studenten brachten diesen Brauch erstmals 1865 von der Universität Lund in Schweden nach Finnland. Seit den 1980er Jahren hat es sich auch eingebürgert, dass die Vertreter aller Parteien große politische Reden halten.“ (Wikipedia).
An diesem Tag waren gefühlt alle jungen Leute aus Helsinki und Umgebung (was für eine Hauptstadt nicht wirklich viel ist, im Vergleich zu deutschen großen Städten) in der guten Altstadt und die hohe Bildungsschicht der Studenten war ganz eindeutig an einem Anzug zu erkennen, der mich mehr an einen Hubschrauberanzug erinnerte, da es ein Ganzkörperanzug war, der jedoch in früher Stunde nur lässig mit den Ärmeln um die Hüfte gebunden war und somit nur die Beine bedeckte. Auf diesem Helikopteranzug, der oft in den unterschiedlichsten Farben präsentiert wurde, waren viele Aufnäher, die ich jedoch in der Regel nicht verstand oder zuordnen konnte. Je später und kälter der Abend wurde, desto mehr wurde der Anzug umgeworfen und irgendwann war er komplett angezogen und wir frierenden Ausländer mit unserer Sommerkleidung wurden neidisch auf diese praktischen Anzüge.

Die Feier beginnt mit der seltsamen, aber trotzdem sehr lustigen Geste, des Hutes -auf aufwendige Weise – auf den Kopf einer Statue am Hafen zu setzen. Unter viel Gejubel und eigene Matrosenmützen in die Luft werfen (die gehörten auch zu dem Vappuu Outfit) hob ein Kran ungefähr 10- in-einem-Kreis-sitzende Männer (natürlich mit Bier in der Hand) in die Luft und führte sie zu dem Springbrunnen, der circa 3 Meter hoch war.
Die friedliche Menschenmasse freute sich über das Aufziehen der Matrosenmütze und feierte kurz gesagt diese Geste gebührend mit viel Alkohol in der Stadt. Plötzlich wurden aus schüchternden Finnen , „Finnen von Sinnen“ und der Abend war einfach gut. Zu später Stunde machen sich alle auf den Weg nach Hause, um am nächsten Morgen jedoch sich ganz früh den Wecker zu stellen und mit alleman ein großes Katerfrühstück im Park zu sich zu nehmen. Natürlich wär das einfache Schlafen im Park einfacher gewesen, weil Kleidung wurde nicht gewechselt, wie man am nächsten Tag an den immer noch tragenden Anzüge festzustellen war. Wir benahmen uns ganz unfinnisch und standen erst auf, nachdem wir genug Schlaf bekamen und bewegten uns langsam und immernoch sehr müde und fertig vom Vorabend in einen wunderschönen finnischen Park, wo jedoch zu meiner Verwunderung am 1.Mai immer noch eine Schneeschicht lag. Trotzdem konnte man schon im Tshirt da sitzen und den letzten Abend mit lustigen Geschmackskombinationen auf dem Brot Revue passieren lassen. Ich kann nicht anders. Ich muss es nochmal wiederholen: Es war super in Finnland !!!
Rakastan Suomi!

Anmerkung

Hey,

auf der Seite Einblicke findet ihr, wenn ihr nach gaaaanz unten scrollt, ein Video über das Leben in meinem Opisto seit September 2011.

Dienstag, 8. Mai 2012

Einem Ende nahe...

Drei Monate Finnland! Zweiundneunzig Tage! Ein Vierteljahr!
Die Tage werden länger, die Nächte kürzer. Um elf ist es nicht dunkel – zwischen den schwarzen Wolken schimmert Licht hindurch. Zu viel Licht.
Der weiße Vorhang reicht nicht mehr aus. Der weiße Bettbezug, den ich vor die Gardine gehängt habe, bringt es auch nicht. Etwas Dunkleres ließ sich nicht finden.
Ich könnte beide in schwarze Farbe tunken, oder mir selbst einen Augenschutz basteln.

Wie soll das im Sommer werden? Die Sonne geht kaum unter, da geht sie wieder auf.
Romantisch?
Ich mag den klaren Himmel, die Farben sind viel deutlicher, kräftiger. Blau wird zu strahlendem Blau. Mit Verblüffen beobachte ich allabendlich die schönsten Sonnenuntergänge, die sich genau vor meinem Fenster abspielen. Ein unbeschreibliches Schauspiel, zeitweise mit Nebelschwaden oder feinen Wölkchen, die den Himmel verzieren.
Der Sternenhimmel mitten in der Nacht wirkt fast zum Greifen nahe. Die Sterne sind viel strahlender als ich es aus meiner Heimat kenne. Perfekt um Sternschnuppen zu beobachten.

Jedoch werden die nächsten drei Monate geschwind vergehen.
Den Moment festhalten, auskosten und vergehen lassen. Das habe ich hier gelernt. Die Zeit anders zu nutzen. Gefesselt war ich an das Internet und trotzdem gab es unendlich viele Augenblicke, in denen ich mich davon lösen konnte und die ich viel bewusster erlebte. Vor mir liegt der Sommer, meine neu erlernte Fähigkeit tiefer in die Sekunde zu tauchen, wird auf die Probe gestellt werden.
Die Sonne wird mich gewiss öfters ins Freie locken, der See und die Sauna zu meinen Lieblingsorten werden.
Unten am einsamen Steg werde ich sitzen, die Augen schließen und den Wind mit meinen Haaren spielen lassen.

Das Land tut mir gut. Ich habe gelernt, alleine zu sein. Mich einsam zu fühlen. Weder von Internet, noch von Medien abgelenkt zu werden. Ich brauche keine Menschen mehr um mich herum. Ich bin nicht mehr abhängig von sozialen Kontakten. Kann einige Tage ohne aushalten. Aber ich habe auch für mich erkannt, wie wichtig an anderen Tagen Freunde für mich sind. Ich weiß, auf wen ich mich verlassen kann.

Bald kann ich auf der Blumenwiese liegen, nur der Natur lauschen. Dem Rauschen der Bäume, wenn der Wind durch die Blätter fährt. Hummeln, welche sich von Blume zu Blume bewegen. Vielleicht auch dem seichten Plätschern des Wassers, Fischen die aus dem See springen, singenden Vögeln.

Hinter mir liegen Zeiten der Depressionen, der Schwarzmalerei. Viele Tränen flossen, Kerzen schmolzen. Auch Ängste habe ich durchstanden, seltsame Geräusche des alten Hauses über mich ergehen lassen. Ich bin über mich selbst hinaus gewachsen. Mutiger und selbstbewusster. Reifer.

Träume kommen und vergehen, sie zu genießen, soll erlernt sein. Das verdanke ich diesem Land. Dem ewig weilenden Winter, der ausgeprägten Natur und den entspannten Menschen.
An manchen Tagen habe ich sehr viel zu tun und doch bleibt mir Zeit, stehen zu bleiben. Meinen mit Honig versüßten Tee in Ruhe zu trinken, mit Freunden zu lachen.
Obwohl ich spät aufstehe und das Frühstück ausgiebig genieße, bin ich pünktlich bei der Arbeit. Die Uhr tickt anders. Die Minuten sind länger. Bieten Platz für Ruhe und Gelassenheit. Für Entspannung.

Freitag, 13. April 2012

Avanto Teil 2

Vor meinem Jahr in Finnland habe ich in einem Blog gelesen, ein wahrer Finne sagt niemals „Ich liebe dich“ (im finnischen Fall: „Minä rakastan sinua“ oder „Rakastan sua“). Nein, er baut seiner Angebeteten stattdessen ein Haus. Und eine Sauna – für mich der eindeutig allergrößte Liebesbeweis der Welt. Dazu noch einen Steg, der den Sprung in den, natürlich sorgfältig ausgewählten, nahen See ermöglicht.
Der Partner von Eija, eine meiner Opisto-Ansprechpersonen, hat sogar ein großes Loch in das Eis auf dem See gemacht. Für uns. Weil Popo und ich unbedingt Eisbaden wollten.
Letzten Endes sind wir zu neunt in die Sauna und anschließend ins Wasser gestiegen. Letzteres betone ich, denn ein Sprung könnte lebensgefährlich sein. Der Temperaturunterschied beträgt um die 90°C.

Zuerst fühlte sich das Wasser warm und angenehm an. Jedes der zehn Male, die ich da rein stieg und im See verweilte, war unterschiedlich. Von absolut todeskalt zu spanienwarm. Nur meine Füße mochten die Frische nicht so sehr. Manchmal gestaltete es sich schwierig mit gefrorenen Unterkörper (versucht mal mit Eisklötzen an den Beinen zu laufen) zurück zur Sauna zu gehen.
Im Gegensatz zum Dezember, da waren meine Haare innerhalb von einer halben Minute vereist und zum Januar, da mussten wir mit dem Schnee auf dem See vorlieb nehmen und uns drin wälzen, war dieser ein Sommerausflug.
Trotzdem empfehle ich es allen und hoffentlich kann ich nächste Woche wieder hinein ins kühle Nass.

Heute habe ich mich im Übrigen von einer iranischen Friseurin frisieren lassen, die Erfahrungsberichte der Studentinnen hier im Opisto, reichten von „aaaaaaaaaaah“ zu „wow!“.
Deswegen war ich nervös. Doch sie hielt sich an die Vorgabe, bloß nicht zu viel abzuschneiden. Jetzt nach fünf Monaten ohne Friseurbesuch, sehe ich wieder menschlich und annehmbar aus. Mein Bart hatte es auch echt nötig wieder gestutzt zu werden *Achtung Flachwitz! Bitte Füße hochnehmen!*

Es ist lesbar, wie mein abgöttischer Humor wie eine Rose verwelkt und von ihm zum Schluss wohl kaum etwas überbleiben wird. Pardon, liebe Freunde... seit 8 Monaten habe ich keine Ironie, keinen schwarzen Humor oder Sarkasmus verwendet oder gehört. Das scheint in meiner Umgebung nicht zu existieren.
Denn anfangs habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Nach dem mein Magen unüberhörbar laut knurrte, beantwortete ich die darauf gestellte Frage eines Mitstudenten, ob ich Hunger hätte, mit einem extremen „Neeeeeeeeeeeee! Natürlich nicht!“.
Das Ergebnis dieser Problematik war, dass ich von da an meine Wünsche, was das Aufnehmen von Nahrung betrifft, direkt und deutlich formuliert ausspreche.

Habe ich schon erwähnt, dass Schnee liegt?

Donnerstag, 12. April 2012

Avanto Teil 1

Hey,

da bin ich wieder...
In wenigen Stunden stürze ich mich ins kalte Wasser. Genauer genommen in eisigkaltes Wasser. Eisloch genannt.
Aaaaah, ich verliebe mich allein schon in die Vorstellung. Bibbernd über den gefrorenen Steg zu watscheln, an verschneiten Felsen vorbei und dann den Kreislauf so richtig in Fahrt zu bringen. Fühlt sich bestimmt so an, wie Achterbahn zu fahren. Nur kälter.
Es wird mein erstes Mal sein und falls es sich lohnt, berichte ich heute Abend darüber.
Falls meine Finger nicht abgefallen sind.

Dienstag, 10. April 2012

Ostern einmal anders

Mittlerweile vergeht die Zeit wie im Fluge, außer wenn ich nichts zu tun habe und mich langweile. In vier Monaten werde ich in den alten deutschen Alltagstrott zurückkehren, so richtig vorstellen, kann ich es mir jedoch noch nicht.
In den letzten Wochen ist nicht viel passiert. So wie seit den letzten drei Monaten.
Zweimal war ich krank und lag im Bett, innerlich keimen nun die Frühlingsgefühle auf und verlangen das Tragen von T-Shirts, doch aufgrund der Minusgrade und des hohen Schnees, bleibe ich vernünftig und ziehe mir warme Kleidung an.

Zum Glück war ich Ostern mit Popo und einer finnischen Lehrerin namens Jaana unterwegs.
Gemeinsam fuhren wir nach Joensuu. Die Großstadt liegt eine zweistündige Autofahrt entfernt und bietet etwas Abwechslung vom Alltag.
Im Oktober war ich das letzte Mal dort.
Wir übernachteten in der Studentenwohnung von Jaanas Schwester und gingen abends zu einer finnischen Party. Für mich und Popo war es eher langweilig, die Musik war zeitweise zu laut, die Menschen sprachen durchgehend auf finnisch und das Zuhören war ermüdend. Dafür konnten wir Finnen in Aktion sehen. Die Männer verschwanden zuerst in der Sauna, die Frauen stopften sich mit Fischtorte, Kuchen und Süßigkeiten voll. Dann folgte der Alkohol und zum Schluss waren alle betrunken und gut drauf. Einige tanzten zum Ende hin sogar.

Besonders interessant war für mich das Beobachten des männlichen Geschlechts.
Angekündigt wurde mir: „Pass bloß auf, nachher wird auch einer auf der Party sein, der jedes Mädchen im Sturm erobert.“
Für mich klang das nach einer Menge Spaß.
Dann als er vor mir stand, war ich sprachlos. Ein bärtiger Kerl, dessen orangeblonden langen Haare Rapunzel Konkurrenz machten. Sein Bierbäuchlein war auch kaum zu übersehen. Und er sprach so leise, dass ich mich zwischen dem Erraten seines Gesagten oder dem Vorbeugen und Ertragen seines Mundgeruches entscheiden musste.
Womanizer?
Nicht für eine Deutsche. Vielleicht wirkte er auf die finnische Damenwelt attraktiv, bei mir landete er sofort in der Kumpelschublade.
Ich kann mir gut vorstellen, dass er ein superlieber Kerl ist. Denn viele umschwärmten ihn. Aber unter einem Frauenschwarm stelle ich mir etwas anderes vor.
Insgesamt sahen die Finnen um mich herum alle sehr sympathisch aus. Da sie in ihren Grüppchen verweilten, kann ich leider nichts zu ihren Charaktereigenschaften sagen.

In einer Ecke entdeckten drei Finnen das Gruppenkuscheln für sich, indem sie sich aufeinander setzten. Der Zweite auf den Schoß des Unteren und der Dritte mit Blickrichtung zum Zweiten auf beide. Eng verknotet hauchten sie sich Liebesschwüre wahrer Männerfreundschaft zu.
So verharrten sie etliche Minuten.
Das war etwas zu viel des Guten für mich – werden in Deutschland doch oft einige bereits als schwul betitelt, weil sie sich kurz umarmen.

Am nächsten Tag verbrachten wir drei den Vormittag in der Wohnung und beobachteten im TV wie ein Schiff durch Norwegen fuhr. Die Filmcrew hatte fünf ganze Tage lang alles gefilmt, was da so passierte. Die Dokumentation lief stundenlang und wäre ideal für Trinkspiele geeignet. Bei jedem Wasserfall ein Gläschen und schwupps bist du nach einer halben Stunde so betrunken, dass du alles um dich herum vergisst.

Nachmittags bekamen wir die Idee, im Internet Pizza zu bestellen. Als Premiere.
Hat sich wirklich gelohnt!
Und gestärkt von der Mahlzeit, machten wir uns auf zu Jaanas Freunden. In einer anderen Studentenwohnung saßen wir zusammen mit vier anderen Finninnen, guckten Fernsehen und unterhielten uns. Vier Stunden lang. Danach ging es endlich zum Konzert der Pariisin Kevät (Pariser Frühling).
Die Band bestand aus sechs Männern, die richtig ab rockten auf der Bühne.
Ich hatte zwar nie zuvor deren Musik gehört, aber sie trafen völlig meinen Geschmack.

Danach gingen wir im Gebäude herum, unterhielten uns mit Bekannten und sahen wie eine zweite Band auftrat. Hierbei handelte es sich jedoch nur um eine Coverband, also nichts besonderes. Auffällig war, dass fast alle Männer um mich herum, lange Haare hatten und die meisten sie zum Dutt gebunden trugen.
Bei den meisten sah das gut aus.
Es wurde etwas ruhiger im Club und ich konnte wieder einige Beobachtungen machen.
Da saß er, das Phänomen Finne, mit wehleidigem Blick, umringt von siebzehn leeren Biergläsern, zwei Freunden, die eng an ihm klebten und ihm zu sprachen.
An dem Tisch daneben, saßen zwei andere und vollzogen das Bruderschaftstrinken mit Küsschen.

Am nächsten Tag schafften wir es tatsächlich um neun Uhr die Wohnung zu verlassen! Wir hielten auf der Streckenhälfte an und durchquerten einen Zoo. Dort sah ich auch zum ersten Mal einen Elch, der sofort auf Schmusekurs ging und mir seinen Kopf hin hielt.
Sogar ein Rentier war zwischen den Luchsen, Vögeln, Bären, Wildschweinen, Lamas und anderen interessanten Tieren zu entdecken.

Den Abend verbrachten wir mit Jaanas Familie auf deren Bauernhof. Nach dem Grillen (das so ähnlich wie in Deutschland fabriziert wird), wurden wir herum geführt, durften beim Melken helfen, die Kälber bespaßen, Traktor fahren (yeeeeah!!!), saunieren und wurden morgens pünktlich um sechs von den vier Border Collies geweckt (was wir ignorierten und einfach weiterschliefen).
Später gab es sogar ein frisch zur Welt gekommenes Kalb zu begutachten.

Es war ein richtig aufregendes und tolles Wochenende, besonders das Ende auf dem Bauernhof und das Konzert am Freitag, gefielen mir sehr.

Jetzt, zurück im Opisto, überkommt mich die Langeweile. Der Schnee schmilzt nicht und lässt die Welt so trist und öde wirken. Lust auf Unternehmungen habe ich hier nicht, Joggen oder Radfahren wird zur gefährlichen Freizeitaktivität.
Die Studenten machen tagsüber mehrere Wochen lang Praktikas und somit ist überhaupt nichts los.
Bääh... es kommt mir so vor, als würde ich die Zeit hier nur verplempern.

(Glaubt eigentlich jemand von euch an ein Leben nach dem Tod?)

Montag, 19. März 2012

Argh...

Eine Schneeflocke setzt sich auf meine Nasenspitze. Bedröppelt starre ich sie an, spüre wie sie dahin schmilzt und verschwindet. Frühling. Haha, von wegen.
Während sich der Altschnee den Agrarzustand verändert und so manches Auto rückwärts den Hügel hinunter gegen ein anderes rutschen lässt, setzt sich der 5 Zentimeter hohe Neuschnee oben drauf und versucht dem Ganzen eine schöne Note zu geben.

Schnee.
Als Kind mochte ich ihn. Schnell mal den Schlitten suchen oder Ski fahren.
In zwei Tagen ist Frühlingsanfang.
Für mich gewinnt das Wort „Ski-Ferien“ eine ganz neue Bedeutung.
Dem weißen Übel ist nichts gutes abzugewinnen. Wie gern würde ich die Massen weg pusten. Dafür reicht mein Lungenvolumen jedoch leider nicht aus.
Doch, immerhin verschwindet die schöne, alte, hässliche Mülltonne gerade in den Schneemassen.

Wäre eine gute Idee für die eine neue Weltmeisterschaft: Schneewegpusten.
Ob ich die Luftgitarrenweltmeisterschaft wohl dieses Jahr besuchen kann?
Oder den Handyweitwurfwettbewerb?

Ich habe nur noch knapp fünf Monate vor mir. Wirklich viel habe ich in den letzten vier, fünf Monaten nicht erlebt. Der Winterschlaf, ein notwendiges Übel zum Überleben der langweiligsten Zeit des Jahres, überkam nicht nur die Finnen.

Was soll man hier auch schon großartiges erleben?
Schnee gibt es in allen Ecken. Schneemänner kann man aus ihm nicht bauen. In Finnland geht es anscheinend eher um die Quantität als Qualität. Schade.

Ich bin es satt jeden Tag nur weiß/schwarz zu sehen. Mir fehlen die farbenfrohen Wälder und Wiesen. Gerüchten zufolge dauert es ein bis zwei Monate, dann fängt der finnische Frühling an.
Und das Leben.

Samstag, 17. März 2012

Wochengeschehen

Hey, der Blog ist nicht in Vergessenheit geraten, nur wollte ich die wenigen Erlebnisse lieber sammeln und über alle in einem Text berichten.
Vor zwei Wochen habe ich mein tägliches Finnisch-Studium abgebrochen und arbeite seither jeden Tag dort, wo ich gebraucht werde. An manchen Tagen ist gar nichts los und die verbringe ich dann in der Großküche.
Hauptsächlich helfe ich den Lehrern als Assistentin und helfe anderen Schülern beim Lernen. Zweimal war ich bisher sogar im finnischen Geschichtskurs und habe zu den Themen Adolf Hitler, Konzentrationslager und Rassenkunde unterrichtet und aufgeklärt.

Hierbei fiel mir auf, dass Menschen von anderen Kontinenten oftmals überhaupt nicht wissen, dass es diese Zeit des Grauens in Europa gab. Und einige reagierten sehr sensibel, besonders als sie über die Rasseneinteilung erfuhren.

Das Interesse an dem Geschehen war ergreifend, wir verlängerten den Unterricht von drei auf vier Stunden und ich versuchte so viele Fragen wie möglich zu beantworten. Das war ein richtiges Erfolgserlebnis für mich.
Beim nächsten Mal sahen wir uns einen Youtube-Film über den Krieg zwischen Finnland und Russland, der 105 Tage lang anhielt und 1939 im Winter mit Temperaturen bis zu -50 Grad statt fand.

Trotz des heldenhaften Kampfes um den Erhalt der Unabhängigkeit von Finnland, fielen 2/3 von ihren Soldaten. Im Vergleich: Russland schickte um die 2 Millionen Soldaten von denen die Hälfte starb, die Finnen hatten nur 300.000 zur Verfügung.
An manchen Stellen musste ich lachen. Zum Beispiel war es witzig zu sehen, wie die Finnen in ihren weißen Tarnoutfits in Reih und Glied Ski fuhren, sich dann auf ahnungslose Russen stürzten und diese hinterhältig mit den altbekannten Finnenmessern umbrachten.

Dann gab es ein Interview und eine freundliche alte Finnin stellte eines dieser Messern vor. Eine Frau, adrett zurecht gemacht, verträumt lächelnd und dazu meinte sie mit zuckersüßer Stimme: „die Soldaten hatten nicht viele Waffen, aber dieses Messer hier kann ganz schön weh tun, wenn man es jemanden zwischen die Rippen sticht.“
Das war unbeschreiblich makaber.

Später wurde erklärt, dass die Finnen einen Vorteil hatten, da sie Wurstsuppe zu essen bekamen (stärkte nicht nur den Körper sondern auch die Seele), während die Russen sich mit einer Pampe zufrieden geben mussten.
Im Allgemeinen fand ich den Film sehr unterhaltsam, wunderbar dramatisiert von amerikanischen Produzenten.

Am Wochenende erlebte ich den Geburtstag eines Afghanen. Dazu sollte man wissen, dass in muslimischen Ländern dieser Tag eher weniger gefeiert wird.
Der Tisch war reichlich gedeckt mit Süßkram. Dann wurde eine Lebenskerze aufgestellt. Die Afghanen tanzten mit paar anderen Studenten aus dem Kongo im afghanisch/afrikanischen Stil. Es wurde gelacht, gewitzelt und ganz plötzlich – eine halbe Stunde später – endete alles und jeder verschwand wieder in seinem Zimmer.
„O.K.“, dachte ich mir nur.

Einen Abend verbrachte ich mit den Lehrerinnen und der anderen Freiwilligen (Popo) und wurden von ihr chinesisch bekocht. Dabei gab es unzähliges, was ich vorher und später nie wieder essen werde. Warum eigentlich nicht?
Naja, Tofu und ich werden wohl nie Freunde. Ich probiere trotzdem jedes Mal.

Am nächsten Tag fuhren Popo und ich mit Angestellten des Opistos und zwei Lehrerinnen zu einem Konzertgig. Vorher tranken wir uns die kalte verschneite Welt mit Bier schön, stopften uns mit Schokolade, Chips und Gemüse voll und stapften um 22 Uhr zu der Bar.
Hier bemerkte ich eine sehr große Veränderung meinerseits zu meinem früheren Ich in Deutschland.
Erstmals war ich nämlich davon ausgegangen, dass das Konzert um 20 Uhr beginnt und um 22 Uhr vorbei sei, damit ich da schlafen gehen konnte. So wie hier alles in Finnland darauf ausgelegt ist, n dass man früh schlafen kann.

Nach einer halben Stunde waren wir die nächsten in der Schlange und durften hinein gehen. Wir gaben die Jacken ab und warteten oben zwei Stunden, bis Chisu (eine sehr bekannte finnische Sängerin) endlich auftrat. Ich stand mit meiner Gruppe in der vierten Reihe vor der Bühne. Um mich herum EXTREM viele Menschen. So viele hatte ich seit einem halben Jahr nicht mehr auf einer Stelle gesehen.

Leider begann dann eine qualvolle Zeit für mich. In dem eh schon überfüllten und sauerstofffehlendem Raum wurde die Nebelmaschine angestellt. Mir wurde schwindelig und ich durfte mich zum Glück auf den Platz einer Frau setzen – am Fenster. Als ein betrunkenes und nerviges Mädchen sich meinen alten Stehplatz schnappen wollte, setzte diese Frau (auf deren Platz ich saß) ihre Krallen ein und verteidigte erbarmungslos mein Gebiet. Wohl damit ich später wieder dort stehen konnte.

Der Bass wurde schlimmer, die Menschen kamen immer näher. Die Luft war weg, mir standen Schweißperlen auf der Stirn. Am liebsten wäre ich nach draußen gegangen, doch lag der Ausgang hinter der riesigen Menschenmenge. Die Musik konnte ich kaum noch genießen. Als Popo sich plötzlich Richtung Ausgang, hängte ich mich an ihre Fersen.
Ihr ging es genauso wie mir.

Klaustrophobie?

Nein, bestimmt nicht. Wir stellten nur für uns beide fest, dass es uns damals in den Herkunftsländern nie gestört hat, von so vielen umringt zu werden. Wie auf Konzerten oder in Diskotheken.
Erklären konnten wir uns den Wandel nicht.
Wenn ich zurück kehre nach Deutschland, muss ich mich wahrscheinlich ganz langsam wieder an die Massen gewöhnen.
Da wir nichts zu tun hatten, beobachteten wir eine Weile betrunkene Männer tanzen. Manche der Finnen standen mitten im Raum herum, bewegten sich nicht. Nur um das Bier an den Mund zu führen.

Andere Männer tanzten als wollten sie Stangentänzerinnen Konkurrenz machen wollen.
Popo hatte die Nummer ihrer Jacke verloren und wir suchten mit dem hilfsbereiten Garderobenarbeiter nach dem Bekleidungsstück. Konnten sie in den Mengen aber nicht finden.
Kurz darauf tauchte Jaana, eine der Lehrerinnen auf. Ihr war es auch zu viel geworden.
Endlich war das Konzert vorbei, begeisterte Menschen bahnten sich den Weg ins Freie und ich fand die Jackenkarte oben auf der Tanzfläche liegend. Somit hatten wir auch endlich die Jacke
.
Gegen drei Uhr saßen wir im Auto und fuhren zurück zum Opisto. Wir überquerten gerade die lange Brücke, als ich aus dem Fenster sah und die Nordlichter entdeckte. Geschwind fuhren wir nochmal auf die andere Seite der Überquerung des Sees und betrachteten das Lichtspiel.
Überraschend war es für uns, weil es nur -6 Grad kalt war und normalerweise die Nordlichter bei -30 Grad auf tauchen.
Ich habe mich richtig gefreut, das Kunstwerk sehen zu können. Das war es auf jeden Fall wert.

Sonntag, 4. März 2012

Erinnerung

Ich hatte ja vor kurzem eine Auseinandersetzung mit einem Mitbewohner.
Der genaue Tatvorgang lässt sich mit diesem Video am besten beschreiben.



Es tut mir sehr Leid, dass sie letztendlich den Suizid gewählt hat, dafür wurde sie ehrenwert begraben.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Dinge, die man im Leben unbedingt mal gemacht haben sollte...

Letzten Donnerstag überwand ich mich, zu einem finnischen Arzt zu gehen. Seit Anfang der Woche hatte ich Magenschmerzen, die mir durchgehend auf die Nerven gingen, mir den Schlaf raubten und mich auf eine Zwangsdiät setzten.
Mit einem Freund fuhr ich also in die Stadt zu dem abgemachten Termin. Inmitten hässlicher Gebäude stand ein blau gestrichenes, altes Holzhaus. Das Blau kam in der Schneelandschaft wunderbar zur Geltung. Es strahlte freundlich und einladend. Ein richtig schönes Haus.

Innen sah das anders aus. Die Wände waren wohl vor hundert Jahren das letzte Mal gestrichen worden, falls das überhaupt echte hellbraune Farbe war. In einer Glasvitrine an der Wand saßen unzählige ausgestopfte Tiere, wohl auf Jagden erlegt.
Die meisten von ihnen waren Schneehühner, Fasane und andere Vogelarten. In der Mitte des Raumes stand ein alter kleiner Elefant von dem die Farbe abblätterte, auf ihm konnte ein Kind sitzen und mit dem Einwurf eines Geldstückes das Tier in Bewegung setzen.
Hinter dem Spielzeug stand ein altes braunes Regal, dekoriert mit alten aus Laboren stammenden Gläsern, beschriftet mit den früheren Inhalten.
Staub bedeckte nicht nur die beiden Plastikpflanzen, die anscheinend Freundlichkeit symbolisieren sollten. An den Wänden hingen alte geschmacklose Bilder, auf dem Flohmarkt gefunden und mit wenig Geld gekauft.
Alte Sofas luden zum Warten ein.
An der einen Seite stand ein kleiner Raumklotz, in abstoßendem Hellblau bestrichen. Eine Frau saß in ihm, um sie herum Papierberge, Aktenschränke und ein PC von Apple.
Sie bat uns Platz zu nehmen. Neben mir saß ein Finne, der ungeduldig auf seinen Aufruf wartete.
Kurz darauf war ich dran. Eine alte Frau im weißen Kittel, wohl aus der Zeit des Hausbaus stammend, öffnete mir die Tür. Ihr Haar war wild gelockt und erinnerte mich ein wenig an einen verrückten Wissenschaftler. Ihre Brille, Hornbrillen- Gestell, tat ihr übriges.

Während ich ihr meine Problematik erläuterte, tippte sie wie wild mit zwei Zeigefingern auf ihrem Mac (PC von Apple) herum.
Dann bat sie mich, mich auf die alte Liege zu legen. Sie tastete mich ab und meinte dann im eingestaubtem Englisch: „Ich weiß nicht was Sie haben, deswegen weise ich Sie jetzt ins Krankenhaus ein.“
Für diesen Satz durfte ich fast sechzig Euro bezahlen.
Eine halbe Stunde später fuhren wir mit einer Arzthelferin in das Hospital, für mich wäre es schier unmöglich gewesen, den Weg mit dem Bus zurück zu legen.
Ich betrat das erste Mal in meinem Leben nicht als Besucher das Krankenhaus, war deswegen nervös. Da ich jedoch seit zwei Tagen nur knappe vier oder fünf Stunden Schlaf gehabt hatte, machte sie das kaum bemerkbar.

Zuerst reichte ich am Eingang meine Papiere von der Krankenversicherung ein, dann wurde ich ins Wartezimmer geschickt. Wieder saßen nur wenige Menschen dort herum. Überhaupt, es gab nur acht Stühle.
Es war ziemlich ruhig in dem Gebäude und nach zwei Minuten tauchte eine männliche Krankenschwester auf, brachte ich – ohne meinen Freund – in einen Raum. Ich ging an zwei Betten vorbei, in denen Menschen mit Schläuchen und Kanülen lagen. „Oh meine Güte! Hoffentlich kriege ich nichts in meine Arme!“, dachte ich erschrocken.
Dann lag ich ganz hinten, durch Vorhänge abgetrennt, auf einem Bett. Eine Frau gab mir ein rosafarbenes flauschiges Oberteil und bat mich, meine Sachen in einer Box zu verstauen. Da wurde mir mulmig.
Kurz darauf kam die männliche Krankenschwester wieder und stellte mir auf finnisch unzählige Fragen, meine Antworten notierte er sich.
Maß meinen Blutdruck, meinen Pulsschlag und benutzte dabei alle möglichen Equipments, die ich bisher nur aus Arztserien wie Scrubs kannte.
Er ließ mich warten und ein Doktor im grünen Gewand kam. Endlich einer, der mit mir auf Englisch sprach!

Sein Aussehen und der Name ließ auf eine iranische Herkunft schließen, sein Englisch war dialektfrei. Sein Wesen sehr freundlich und aufgeschlossen. In dem Moment war ich etwas entspannter. Das änderte sich, als die erste Spritze von meiner altbekannten Krankenschwester gesetzt wurde. Blutabnahme.
Plötzlich tauchten zwei Frauen auf, schoben mich, auf dem Bett liegend und die Decke anstarrend, durch das Gebäude. „So fühlt es sich an, durch die Gegend geschoben zu werden!“, dachte ich mir und war mir nicht sicher, ob ich es toll und entspannend oder anstrengend finden sollte, weil mir schlecht wurde.
Umgeben von blauen Vorhängen lag ich herum, sollte eine Urinprobe abgeben und mir wurde eine Kanüle gesetzt. In meiner vorherigen Fantasie verband ich diesen Vorgang mit Schmerzen und Qualen, innerlich bereitete ich mich auf das Schlimmste vor, als ich bereit war es auf mich zu nehmen, hing das Teil bereits an meiner Hand.
Drei Beutel wurden in mich transportiert. Salzlösungs-Bla und Medikamente. Mir wurde erklärt, dass ich jetzt Mineralien bräuchte, da ich ja die Tage vorher nur wenige Knäckebrote zu mir genommen hatte und dass das ihrer Meinung nach nicht ausreichte, einen Körper fit zu halten.

Mein Freund tauchte endlich auf und half mir die drei Stunden zu überstehen.
Meine Hand wurde von Minute zu Minute kälter und machte gegen Ende dem „eiskalten Händchen“ der Addams Family Konkurrenz. Hätte wohl nicht mehr lange gedauert und es hätte sich von meinem Arm gelöst und wäre weggelaufen.
Zu meinem Entsetzen tauchte wieder eine Krankenschwester auf, um mir ein Schmerzmittel zu verabreichen.
Danach besuchte mich der  und fragte auf Englisch,Pfleger ob es mir besser ginge. Schön, dass ich mich vorher auf finnisch mit ihm abgeplagt hatte.

Der Arzt kam nach drei Stunden und fasste zusammen, er wüsste nun wahrscheinlich was ich hätte und bot mir an, nach Hause gehen zu dürfen – unter der Option sofort wieder zu kommen, sobald die Schmerzen zurück kehrten.

Ich weiß nicht wie sich der Körper anfühlt, wenn er einen Drogenentzug erlebt. Allerdings kam mein Gefühl dem nahe, extrem wackelig watschelte ich dem Ausgang entgegen. Jede Bewegung war zu viel, mir war schlecht und eigentlich wollte ich nur noch liegen und schlafen.
Zum Glück wurde ich von der Vizerektorin des Opistos abgeholt und konnte bei der Apotheke Medikamente besorgen.

Insgesamt geht es mir nach sechs Tagen endlich besser. Anfangs hatte ich Schmerzen, zurück zum Krankenhaus wollte ich jedoch nicht. Dafür hasse ich Spritzen zu sehr.
Jetzt kann ich wieder fast normal essen und meine Gesichtsfarbe hat sich von dem Teint eines Vampires in die Richtung eines Menschen, der seit mehreren Monaten keine Sonne mehr gesehen hat, verändert.

Abschließend kann ich für mich zusammen fassen, dass der Standard und der Aufenthalt in dem finnischen Krankenhaus angenehm war. Lag wohl auch an den wenigen Patienten. Erneut möchte ich trotzdem nicht wieder eingewiesen werden. Zu den Dingen, die man unbedingt mal gemacht haben sollte, gehört das für mich definitiv NICHT dazu.

Mittwoch, 15. Februar 2012

Und Action...!

Es gibt zu jeder Lebenssituation einen oder sogar DEN passenden Song. Er fasst in knappen drei Minuten sämtliche Gefühle und Gedanken zusammen, untermalt von einer stimmigen Melodie. Oft verstärkt das Lied die Stimmung mit seiner vollen Entfaltung.
Mein momentaner Backgroundsong stammt von Farin Urlaub.

Taumelnd warf ich mich gegen ein überdimensionales grünes Luftkissen, versuchte wieder auf die Beine zu kommen, landete jedoch auf dem Rücken. Der Boden war hart. Kalte Steine stachen mir in die Seite. Verzweiflung kam in mir auf, irgendwie musste ich es bezwingen können!

Da! Ein Rascheln. Leises Tappeln. Ich öffnete die Augen. 6 Uhr morgens. An einem Sonntag. Dem heiligen Tag des Ausschlafens.
Es versteht sich von selbst, sonntags nicht vor zehn oder elf die Augen zu öffnen. Zumindest in jungen Jahren. Klar, ich hatte zwar gerade einen Alptraum gehabt, aber hätte mir trotzdem gerne selbst die Entscheidung überlassen, ob ich daraus erwachen wollte oder nicht.

Ich guckte kurz unter mein Metallbett. Zwei Kartons waren darunter und sie schienen unberührt zu sein. Leicht angenervt drehte ich mich zurück in meine Einschlafposition.

Luft verließ das grüne Kissen und siegesgewiss trat ich noch ein letztes Mal dagegen. Das weiche grüne Ding fiel kraftlos zu Boden und rührte sich nicht mehr. Ich hatte den Kampf gegen das heimtückische Luftkissen gewonnen! Nun konnte ich endlich zu meinem Schiff zurück kehren.
Gerade erkletterte ich den Rumpf des alten Holzkahns, da hörte ich erneut ein Rascheln.
Mein Unterbewusstsein verabschiedete sich wieder von mir und überließ mich notgedrungen der Realität.

Dieses Mal kamen die Geräusche von der anderes Seite des Zimmers. Ich stand auf und beugte mich unter das zweite Bett. Nichts. Die Taschen standen unverändert. Allmählich begann ich an mir zu zweifeln. Vermutlich hatte ich das Geräusch nur geträumt. Müde legte ich mich hin und versuchte bewegungslos und mit gleichmäßigem Atem auf einen Beleg meiner ersten Vermutung zu warten. Lange hielt ich es nicht aus, denn als ich das nächste Mal wieder das Scharren hörte, wachte ich davon auf. Einfach eingeschlafen war ich!

Dieses Mal hatte sich zusätzlich noch eine Tüte bewegt und das war der Beweis, dass ich es mir nicht einbildete. Paranoid wollte ich noch nicht werden.
Bei meiner neuen Suche durch kramte ich die Taschen und fand eine Mitteilung, die der vermeintliche Schlaffeind mir hinterlassen hatte: eine angeknabberte Schokolade. Ringförmig mit Zacken. Eindeutig nicht von Menschenzahn erschaffen. Es handelte sich um etwas kleines. Einfach abtun konnte ich es nicht mehr, hier ging es um eine Kriegserklärung. Zwei Konkurrenten. Es und ich, der Kampf um die Schokolade.

Trotz minutenlanger Suche, konnte ich das Quartier des Gegenspielers nicht finden. Er hatte sich gut versteckt. Löcher in der Wand konnte ich auch nicht entdecken.
Später von meiner Burg aus, erkannte ich den einzigen Weg, der in meinen Raum führen konnte. Die Tür. Unter ihr war ein ziemlich großer Spalt, insofern man selbst eine kleine Gestalt war.
Nun hatte ich also immerhin den Rückzugsweg entdeckt und konnte ihn mit einem Handtuch verbarrikadieren.
Da ich nie zuvor einen Krieg geführt, dafür jedoch allerhand derartiger Filme gesehen hatte, wusste ich wie ich weiter vorzugehen hatte.

Ich überlegte mir die folgende Vorgehensweise:
- alle Lebensmittel wegräumen
- Aufenthaltsort ausfindig machen
- Feind identifizieren
- Schwächen heraus finden
- Waffe entwickeln
- angreifen

Die ersten drei Punkte arbeitete ich noch am gleichen Tag ab. Es handelte sich um eine Maus, Spitzmaus vielleicht. Sie saß in einem meiner Lieblingsschuhe mit hohen Absätzen. Hatte sich tot gestellt und entsprang meinen SKI-Handschuhen, die ich mir vorsichtshalber angezogen hatte, als ich sie gerade irgend wohin bringen wollte. 
Geschwind verschwand sie in einem Schrank im Flur.
Geblendet hatte sie mich, mit ihrem süßesten "ich bin soooo niedlich, du willst mich nicht umbringen" - Blick.

Ich legte Holzstäbe unter das Handtuch vor der Tür. Und war mir sicher, endlich Ruhe zu haben.

Zwei Tage später spitzte die Lage sich zu.
Das Kombinieren um zu diesem Fazit zu gelangen, fiel mir keinesfalls schwer.
Bereits beim Betreten des Zimmers kam mir etwas seltsam vor. Lagen doch tatsächlich einige angenagte Herzpralinen in der Nähe meiner Tür – hatte ich die Maus beim Abtransport gestört? 
Hatte sie sich mit dem Zeitmanagement vertan?
Warum war sie so Schokoladen besessen? Frustesserin?

Sie hatte es tatsächlich wieder in meinen Raum geschafft. Sich erneut an meiner Schokolade vergriffen, die ich nur für zwei Stunden auf dem Bett vergessen hatte.
Wie Farin Urlaub bereits verkündete:
„Das bedeutet Krieg, Krieg, mehr Krieg.

Das einzige was mir nun fehlt, ist die Waffe.
Aufgestellt habe ich Lebendfallen, verziert mit Schokolade und dem eventuellen Ziel sie an Übergewicht verenden zu lassen. Eine andere Möglichkeit ist mir bisher nicht eingefallen, draußen aussetzen kann ich sie im Winter auch nicht.
Ich möchte sie nicht umbringen, aber in meinem Zimmer auch nicht haben...

Ich bin offen für eure Ideen.

Dienstag, 7. Februar 2012

Morgen, morgen, bloß nicht heute...

Wieder einmal wird mir bewusst, wie gut ich die Kunst des Aufschiebens beherrsche. Anstatt mich auf den Test morgen vorzubereiten, plane ich lieber Aktivitäten, welche ich mit den weiblichen Studentinnen unternehmen könnte.
Ist ein Stückchen Selbstdisziplin zu viel verlangt?
Wie schnell mich kleinste Dinge ablenken können, einfach faszinierend.

Acht Uhr morgens und.... bedeutungsvolle Stille... es ist hell. Vor Schreck falle ich fast aus dem Bett und erfreue mich an diesem kleinen Reim. Gerne hätte ich mich noch weiter mit meinem fast sinnlosen Traum auseinander gesetzt. Ich meine, wer züchtet nicht gerne kleine gelbe Schweinchen, die auf Kommando Yoga machen? Hat etwas entspannendes. So sicher bin ich mir mittlerweile gar nicht mehr, ob ich das tatsächlich geträumt habe. Und wenn ja, warum? Hat das eine besondere Bedeutung?
Seit ich gestern beim Zumba - Unterricht war, bin ich gerädert. Ich habe einen Kater. Einen verdammten schmerzhaften Muskelkater. Wer kam darauf, so etwas zu erfinden? Mal wieder eine Sache, die die Welt nicht braucht.
Tapfer entsteige ich dem Bett, weigere mich aus Prinzip in den Spiegel zu blicken und brauche ungefähr zwanzig Minuten bis ich endlich Zähne geputzt habe. Fünf weitere Minuten dauert es, bis ich mir etwas aus dem Schrank geangelt und angezogen habe.
Punkt halb neun sitze ich im Speisesaal und esse mein tägliches Käse-Gurken-Brot. Die einzige Abwechslung beim Frühstück ist die Zusammensetzung meiner Tischnachbarn. Heute habe ich mich für die Frauengesellschaft entschieden und bereue das nicht. Nach einer halben Stunde ist endlich das Brot verzehrt, Rica in den Computerraum geschwebt und der PC hochgefahren.
Zwei Stunden lang tippe ich, von finnischen Erklärungen der Grammatik eines mir uninteressanten Themas begleitet, meine auf finnisch geschriebenen Texte in eine Word-Datei und schicke sie anschließend an meine Lehrerin per Email.
Selbstverständlich lenkt mich das Internet zwischendurch ab. Wozu sonst sitze ich an einem internetfähigen Computer?
Zum Mittagessen zwinge ich mich Salat zu essen, dazu gibt es noch etwas fischartiges und Reste einer Lasagne.
Nach der Speisung begebe ich mich mit anderen in den Sportsaal und spiele etwas Badminton. Erhitzt ruhe ich mich im Unterrichtsraum aus und warte bis die Finnischstunde beginnt. Viele kommen etliche Minuten zu spät.
Die Lehrerin hat die sagenhafte Idee, paarweise einen Text über Freundschaft schreiben zu lassen. Hochmotiviert versuchen wir Studenten mit möglichst wenigen Worten etwas tiefsinniges auf das Papier zu bringen. Jedes weitere Wort könnte viel zu viel Kraft kosten. Ich meine, wir sind doch auch nur Schüler.
Irgendwann beginnen sich die Ersten mit Stiften in die Seite zu pieksen oder mit Radiergummis zu bewerfen, selbstverständlich nur hinter dem Rücken der Lehrerin. Habe ich schon erwähnt, dass ich die Jüngste bin?
Zehn Minuten vor Ende der Stunde haben alle ihre Rucksäcke gepackt und starren auffällig unauffällig die Uhr an der Wand an. Es überrascht wenig, dass es nur eine halbe Sekunde braucht, bis alle den Raum verlassen haben.
Zum Kaffee gibt es wie gewohnt Kuchen, leider jedoch den gleichen vom vorigen Tage und deswegen wird er kaum angetastet. Irgendwo hat wohl doch jeder ein kleines Stück Würde.
In meinem Zimmer versuche ich mich auf den Test am Mittwoch vorzubereiten. Letztendlich war ich erfolgreich: der Raum ist gesaugt, gewischt, umgeräumt, aufgeräumt, neu dekoriert, meine Nägel frisch lackiert und der Kleiderschrank neu sortiert. Bin folglich bestens auf morgen vorbereitet.
Um halb fünf gehe ich zum Abendessen, geselle mich dieses Mal zu einer ganz neuen Gruppe. Vier Nationen vertreten wir vier. Während seltsamerweise sechs Füße zeitgleich mit mir füßeln wollen, versuche ich mir nichts anmerken zu lassen und genieße die Suppe. Die angestrengten und erwartungsvollen Gesichter fallen sich gegenseitig anscheinend nicht auf. Männer sind und bleiben wohl so wie sie sind – mit Tunnelblick.
Kurz danach gebe ich eine Stunde Klavierunterricht, schwinge mich zurück in mein Zimmer und vertreibe mir die Zeit mit einem Skype Gespräch – mit Malin.
Leider zieht uns das herzallerliebste Internet einen Strich durch die Rechnung und zwingt mich dazu, aufzuhören. Es dauert 2 Stunden, bis ich endlich etwas Finnisch gelernt habe. Wie viel davon im Hirn bleibt, wird sich morgen zeigen.
Oder auch nicht.
Ich gehe das Ganze wie immer optimistisch an und werde jetzt, nachdem ich diesen Text fertig verfasst habe, noch einmal kurz den Blick über die Seiten werfen und so tun, als hätte ich Lust zu lernen.
Im diesen Sinne:
„Gute Nacht!“ und oder „Guten Tag!“

Tangoersatz

Mir ist gerade beim Lesen der alten Posts aufgefallen, dass ich anfangs ziemlich humorvoll und zum Schluss eher nachdenklich geschrieben habe.
Woran das liegt... Am Anfang gab es noch Sonne. Das ist so ein rot, gelbes oder orangefarbenes Ding, das Gerüchten zufolge immer scheint. Es hängt über den Wolken und spendet Licht. Und verursacht manchmal Sonnenbrand, Krebs oder auch Glückseligkeit und gute Laune.
In den letzten beiden Wochen begann mich das ganze Herumliegen und auf bessere Zeiten warten, zu nerven und ich begann mit Sport und anderen Freizeitaktivitäten. Das brachte mich gestern sogar bis in ein Tanzstudio.
Bisher ging ich davon aus, nur im Citymarket auf Menschen treffen zu können. Gestern stapelten sich die Finnen in einem von Spiegeln und Sportsachen bestückten Raum. Auf einem Podest bewegte sich eine für finnische Verhältnisse, übermotivierte Tanzlehrerin, welche die Anwesenden dazu brachte, die Hüften kreisen zu lassen. Zuerst beobachtete ich noch das Ende des vorherigen Tanzkurses und sah dabei unzählige Finninnen, die guten Mutes Hanteln zur Musik durch die Luft schleuderten. Nach dem die Musik verklang, war meine Gruppe dran. Frauen jeglichen Alters, Fitnessgrades und Körperbaus, begannen halbwegs synchron zu tanzen. Die Tanzlehrerin machte die Bewegungen vor, ohne etwas zu erklären. Pausenlos bewegten wir uns mal zu Lateinamerikanischer, 50ger-60ger- Jahre, moderner und alter Musik. Dazu dann passende Bewegungen, mal mit Rumba, Salsa, Foxtrott, Tango, Discofox, Hiphop-Dance, ... – Schritten.
Das nennt man im Übrigen Zumba.
Am nächsten Tag spürt man selbst Muskeln, von deren Existenz man vorher nichts wusste.
Das Tolle ist, dass man keine Erfahrung oder Tanzpartner braucht und einfach zu dem Kurs gehen kann, spontan nach Lust und Laune. Für mich war es hoffentlich keine einmalige Aktion.
Übrigens war sogar ein einziger Mann anwesend und der hatte die Schritte viel besser drauf, als die anderen.

Sonntag, 5. Februar 2012

Comeback

Diese Wendung zum Halbjahr hin, hätte ich niemals erwartet.
Ich unternehme seit zwei Wochen eine Menge. Neulich war ich mit einer Lehrerin Ski fahren, mit der Krippenspielgruppe zum Abschluss der Sache in einem schönen Lokal essen, habe mit einigen Lehrerinnen zusammen gekocht und geredet, war am Samstag mit anderen Studentinnen zusammen Ski fahren, Essen kochen, saunieren – mit anschließendem im Schnee abkühlen und Würstchen grillen.
Heute wurde ich schon wieder eingeladen, wieder kochen wir und dann sehen wir uns die Auszählung der Präsidentenwahlzettel an. Langsam beschleicht mich das Gefühl, dass sämtliche Unternehmungen auf Ski fahren oder Essen hinaus laufen.
Trotzdem habe ich dabei unheimlich viel Spaß und bin froh, endlich die Winterdepressionen hinter mich gebracht zu haben. Auf einmal eröffnen sich mir ganz neue Wege und Möglichkeiten, ich entwickle ein Gespür für mich selbst und für das, was mir gut tut. Noch dazu die Erkenntnis, dass sich hier sämtliche Probleme von selbst auflösen, ich muss nur etwas warten. Freitag hatte ich zum Beispiel einen Bandauftritt und die Sängerin kam nicht, also musste ich das übernehmen. Was soll's? Es hat geklappt. Die Ziele, welche auf meiner Liste stehen, werde ich eventuell nicht abarbeiten können, allerdings lege ich meine Prioritäten nun anders.
Ich habe endlich begriffen, dass auf dem Zimmer herum sitzen und sich selbst zu bemitleiden, wunderbar einfach und angenehm ist, allerdings die Unternehmungen mit anderen noch viel viel unterhaltsamer und toller sind.
Die alte Rica ist zurück und sie hat sich weiterentwickelt!

Mittwoch, 1. Februar 2012

finnisches Volkslied

Meine Lehrerin überraschte uns heute, indem sie uns ein altfinnisches Volkslied beibrachte. Zu meinem Vergnügen war mir das Lied bereits bekannt. Vor einigen Jahren sangen wir es in den Pfadfindergruppenstunden. Das lustige ist, wir sangen zwar die richtige Melodie, betonten allerdings die Wörter falsch. Und das allerbeste: Ich weiß jetzt, welche Übersetzung der Text hat. Hätte ich das als kleine Pimpfin bereits gewusst, wäre es garantiert zum Lieblingslied der Sippe geworden:

G     D       e      H7               e  D   
1. Minun kultani kaunis on vaik on kataluinen.
G     D       e      H7               e      
Minun kultani kaunis on vaikk on kataluinen.
G    D         e  H7               e  D   
Heiluulija illalla, vaik on kataluinen.
G    D         e  H7               e      
Heiluulija illalla, vaik on kataluinen.

   G      D      e    H7                 e   D          
2. Silmat sil on siniset, vaik on kieronlaiset.
G      D      e    H7                  e             
 Silmat sil on siniset, vaik on kieronlaiset.

G    D         e  H7                 e  D       
Heiluulija illalla, vaik on kieronlaise.
G    D         e  H7                 e          
Heiluulija illalla, vaik on kieronlaiset.

   G     D     e     H7               e  D   
3. Kun minä vien sen markkinoille, niin hevotsetkin nauraa.
G     D     e     H7               e      
Kun minä vien sen markkinoille, niin hevotsetkin nauraa

G    D         e  H7                e  D   
Heiluulija HA HA HA, hevotsetkin nauraa.
G    D         e  H7                e      
Heiluulija HA HA HA, hevotsetkin nauraa.

Die Übersetzung ist folgendermaßen:

1. Strophe: Meine Liebste ist wunderschön, obwohl sie dünn ist.
2. Strophe: Sie hat blaue Augen, obgleich sie schielt.
3. Strophe: Wenn ich mit ihr zum Markt gehe, lachen sogar die Pferde sie aus.

Die Aussprache der Wörter ist wirklich eher Wort für Wort. 

Minun - kultani - kaunis - on, vaik - on - kaitaluinen....

Und es wird wunderbar heiter gesungen, die letzte Strophe wird mit einer dreckigen Lache und Schadenfreude betont.