Sonntag, 11. September 2011

close your eyes, give me...

Der Geruch von Chlor durchströmt meine Nase, mein Herz klopft bis zum Hals. Barfuß stehe ich vor der ersten Sprosse der ersten Leiter.
„Gucke niemals nach unten…“, so heißt es doch oder?
Unzählige Augenpaare beobachten mich, erwartungsvoll warten sie auf meine nächsten Schritte, mein nächstes Handeln. "Wird sie sich trauen?"

Nächsten Mittwoch werde ich das erste Mal einen Club gründen, der einen erhöhten Schwierigkeitsgrad hat. Drei Jahre arbeitete ich ja als Gruppenleiterin mit Kindern, doch nun gilt es, aus einem Haufen Erwachsener eine Gruppe zu bilden.
Zum zweiten Mal springe ich also aus riesiger Höhe in eiskaltes Wasser, ohne einen Plan wie viele Leute ich für meine Ideen begeistern kann. Und wie ich die Sprachbarrieren umgehen kann.
Warum lasse ich mich bloß ständig auf solche Projekte ein?

Bisher lautet mein Plan:
„Improvisationstheater, Kooperations-/Vertrauen-/ und Selbstbewusstseinsspiele mit dem Hintergrund, den eigenen Charakter und die anderen Personen näher kennenzulernen“.
Je näher der Mittwoch kommt, desto weniger überzeugt bin ich von meiner Idee.
 Hätte ich nicht bereits Stunden in die Entwicklung hineingesteckt, würde ich sie umwerfen und eine einfache Fußballmannschaft gründen. Aber das ist nicht das was ich vorhatte. Fußball und Volleyball spielen sie schon täglich.
Ich möchte die Unterschiede der Kulturen überbrücken und jedem ermöglichen, zu sich zu finden und das Selbstbewusstsein zu entwickeln, welches er verdient! Sie sollen selbst endlich verstehen, wie toll sie sind und das sie einiges auf die Beine stellen können, wenn sie es nur wollen. Als Minderheit, als Immigranten in einem fremden Land, fern der Heimat zu sein, ist nicht einfach. Gerade weil viele von ihnen politische Flüchtlinge sind, etliche ließen ihre Familien und Freunde zurück, um den Kriegen zu entkommen und ein besseres Leben führen zu können. Sie haben nur sich und gegebenenfalls neue Freunde, die sie hier finden konnten.
Auch sie standen wohl schon auf dem Sprungbrett, nur wurden die meisten von ihnen von anderen hinunter gestoßen.

Deswegen und weil ich schon einige Erfahrungen in Schauspielgruppen gesammelt habe, dachte ich mir, dies wäre vermutlich eine gute Möglichkeit für sie, sich auszuprobieren. Neben der Pfadfinderei, half es mir damals sehr, in andere Rollen schlüpfen zu können, um später einen Weg des einfacheren und selbstbewussteren Lebens zu entwickeln.
Nur bin ich nun wirklich an den Punkt des Zweifelns angelangt und wäre ich nicht eine sture Kämpfernatur, würde ich aufgeben, umkehren, die Treppen hinunter klettern, mich schämen.
Nichts wäre schlimmer, als keine Mitglieder für die Gruppe finden oder die Botschaften richtig rüberbringen zu können.

Für das Erklären der Spiele und anderen Ideen, habe ich mir überlegt, andere Studenten zum Dolmetschen zu überreden und Zeichnungen zu benutzen.
Doch wie gründet man eine Gruppe mit einem solch großen Hintergrund? Ich stelle mich ständig riesigen Aufgaben. Sollte ich meinen Lebensstil zugunsten meines Kreislaufes nicht allmählich mal ändern? Ist das Ganze nicht zu gewagt?

Gut, ich atme langsam durch und klettere nun vorsichtig Tag für Tag hoch zu dem zehn Meter Brett.
Runter geht es immer!
In  drei Tagen werde ich springen!

Augen zu und durch!

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