Wir beide saßen in der Eingangshalle und achteten darauf, dass jeder Besucher einen Zettel ausfüllte. Die Arbeit war also nicht sonderlich spannend, dafür konnte ich meinen Handy-Tetris-Highscore knacken und verbessern.
Zwischendurch gab es Kohl und jedes Mal wenn es dieses Gericht gibt, kann man mich danach nur noch durch die Gegend rollen. Ich habe mich auch dieses Mal überfressen...
Endlich mein Lieblingsgericht UND keine Kartoffeln mehr! Nachmittags gab’s wie jeden Tag dieser Woche Apfelkuchen. Anscheinend sind einige Finnen nicht so von abwechslungsreicher Kost überzeugt.
Außerdem waren wir die Attraktion des Wochenendes, unzählige Damen kamen auf uns zu und luden uns zum Kaffee ein. Viele von ihnen waren in der Lage Deutsch, Taiwanesisch und Chinesisch zu sprechen. Das hat mich sehr überrascht. Sollte ich wirklich jede der Frauen besuchen, werde ich mir irgendwann einen Personaltrainer zulegen müssen. Zusätzlich legten MIR einige dieser Damen ans Herz, Popo zum rechten Pfad zu führen und sie zum protestantischen Glauben zu bekehren... na da habe ich ja etwas vor mir. Erst mich und dann noch eine weitere arme verlorene Seele zu bekehren.
Gestern Abend bin ich dann wieder in die Sauna gegangen und habe die Temperatur um 10 Grad gesteigert. Es ist echt faszinierend unter der eiskalten Dusche zu stehen und nicht ansatzweise etwas von der Kälte zu spüren. Im Winter würde ich gerne nach draußen in den Schnee springen. Das muss echt lustig sein.
Während der letzten Tage habe ich etwas täglich ausprobiert, doch jedes Mal bin ich kläglich gescheitert. Egal wie und wo man Menschen auf der Straße grüßt – niemand antwortet. Ich habe es mit kurzangebundenen „Hei!“'s, einem normalen „Päivä.“ und einem strahlenden Lächeln versucht, doch selbst mit dem überschwänglichsten „Hyvää Päivä!“ habe ich nicht einmal ein kleines Aufblitzen in ihren Augen erreicht. Die Finnen sind echt seltsam. Ich meine, wer kann mir schon widerstehen?
Nun gut, Schluss mit den kläglichen Versuchen. Ich werde mich trotzdem nicht an dieses Völkchen anpassen, nicht in dieser Hinsicht.
Nach der Arbeit ging ich spazieren. Dabei trug ich meinen roten Lieblingspullover und versuchte tapfer das Zittern meiner Hände zu unterdrücken. Ich bin mir nicht mehr sicher, aber war es zu dieser Zeit nicht in anderen europäischen Ländern nahezu heiß?
Die weißen Birken stehen an der Straße und bilden einen sehr schön anzusehenden Wald. Das smaragdgrüne Moos bedeckt den Waldboden, samtig weich lädt es zum Hinlegen ein. Der hellgrüne Farn umgibt einzelne Bäume und bildet einen unbeschreiblich schönen Kontrast, verschiedene Pilze bahnen sich den Weg gen Himmel.
Die Luft ist klar und kalt, so frisch wie ich sie nirgends je eingeatmet habe. Die ersten Blätter verfärben sich in Gelb- und Rottöne, der Herbst hat begonnen.
Nebelschwaden tänzeln um die Sonnenstrahlen und verschleiern den Blick in die Ferne, lassen sich auf den hellen Klee und das dunkle Moos nieder. Selbst der leiseste Windhauch ist kaum zu spüren und es ist still. So still wie es nachts ist.
Die Schönheit der Natur zwingt mich zu verweilen und den Moment zu genießen. Es ist nahezu unmöglich sich davon zu lösen, es nicht zu würdigen, keinen Blick dorthin zu verschwenden, ohne stehen zu bleiben, daran vorbei zu hasten. Es ist als würde diese Welt ihre Wurzeln nach mir schicken, um mich zu fesseln. Wie schnell ich dort die Zeit vergaß, ich verließ die Straße und kletterte über einzelne Baumstümpfe, überquerte einen kleinen plätschernden Bach und ließ mich auf das Moos nieder. Wohin ich blickte, überall war unberührte Natur. Wunderschöne Birken dessen Blätter im Wind tanzten, das Grün der Gräser und Moose war wie aus einem Aquarell-Farbkasten entstammend.
Wäre ich Faust gewesen, so hätte ich just in diesem Augenblick gesagt:
„Verweile doch, du bist so schön!“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen