Mittwoch, 21. September 2011

It's raining men...

An einem regnerischen Tag, liege ich am liebsten im Bett, sehe mir Filme an und diskutiere mit imaginären Freunden darüber, ob es physisch machbar ist, sich eine heiße Schokolade zu kochen. Draußen prasseln die Regentropfen gegen das Fenster, innen funktioniert die Heizung und die Decke ist mit Daunen gefüttert. Es gilt an diesen Tagen für mich: My bed is my castle.

Allerdings befinde ich mich jetzt in Finnland und hier herrschen andere Bedingungen. Weder ist heute mein freier Tag, noch funktioniert die Heizung in meinem Zimmer. Filme habe ich auch keine mehr, „Der Pate Teil 3“ kann ich mir nicht schon wieder ansehen und meine imaginären Freunde haben nicht in meinen Koffer gepasst. Tatsächlich habe ich den kompletten Tag gearbeitet, mehr als die letzten Wochen. Von morgens bis nachmittags haben wir unzählige Studenten und Angestellte gefilmt, sind hin und her gerannt, haben nach Inspiration gesucht, schließlich lag ich halberschlagen unter dem Rezeptionstisch und jammerte unverständliche Wörter vor mich hin.

Dann beschloss eine der Angestellten (Eija), die heute für uns zuständig war, uns nach Savonlinna-City (Yeah, Großstadtfeeling!) mitzunehmen und prompt hetzte ich innerhalb von einer halben Stunde von Geschäft zu Geschäft, auf der Suche nach halbwegs warmen Oberteilen.

Auch ist es wahnsinnig spannend, die Straßenseite zu wechseln. Die Finnen spielen ein inoffizielles Spiel. Von den Regeln her, entspricht es der Darwinschen „Survival of the fittest“  Evolutionstheorie. Hierfür braucht man einen Fußgänger, einen der unzähligen vorhandenen Zebrastreifen und einen Autofahrer. Letzterer sitzt bequem in seinem Auto und fährt vor sich hin, während ein normaler Passant nichts ahnend die Straße entlang geht. Jedoch wird es jetzt spannend: sobald der Fußgänger Anstalten macht, über den Zebrastreifen zu gehen, muss der Autofahrer mit großartiger Reaktionskraft das registrieren und handeln. Hierbei kommt ihm folgender Gedanke in den Sinn: „Oh! Jemand will die Straße überqueren! Na dann mal schnell den Fuß auf das Gaspedal drücken!“
Welches Ziel das Spiel hat, weiß ich allerdings noch nicht. Fest steht: sämtliche Beteiligte bekommen pure Adrenalinstöße.

Nachdem es mir gelungen war, körperlich unbeschadet die Straßenseite zu wechseln, setzte ich mich in ein Café. Während ich in Deutschland kaum mein eigenes Wort verstehen kann und jeder versucht, lauter als die anderen zu reden – oder trifft es „brüllen“ besser!? – herrscht in einem finnischen Café Ruhe. Es ist wie eine kleine Oase, in der sich die Finnen treffen und mit gedämpfter, ja nahezu kaum hörbarer Stimme „köstlich“ amüsieren. Ich saß dort zehn Minuten und versuchte den Gesprächen zu lauschen, dies war jedoch eher erfolglos und das liegt nicht an mangelnden Sprachkenntnissen. Später sprach ich Eija darauf an und diese meinte: „Was? Es war da eben doch total laut!“, daraufhin zog sie mich erneut in das Café und wies mich darauf hin. Ich stand in dem Raum und hörte nichts, während Eija den Kopf über die Lautstärke schüttelte. Für ihre Verhältnisse war es wohl lauter als normal in einem dieser Treffpunkte. Selbst auf der Straße nimmt man die Finnen lediglich wahr, wenn man sich umsieht. Zu hören sind nur die Autos, wenn welche unterwegs sind.

Nun noch kurz etwas zur finnischen Schüchternheit. Während deutsche Verkäufer extrem extrovertiert und zu einem fetten Dauergrinsen, das mir hin und wieder Angst einflößt, veranlagt sind, betrat ich heute ein Geschäft und wurde von einem introvertierten Verkäufer meines Alters auf Finnisch gefragt, ob er mir helfen könne. Während er die Worte vor sich hin flüsterte, schien er sich am liebsten ins Regal verkriechen zu wollen. Außerdem wagte er es nicht, mir in die Augen zu blicken. Kurz dachte ich, ich sähe aus wie einer der typischen finnischen Männern: Muskulös, bärengroß mit einem alten Holzfällerhemd bekleidet, vielleicht noch eine Kettensäge über die Schulter gelegt, schwitzend, langbärtig und böse grinsend. Selbst ich hätte da vermutlich etwas, sagen wir „Respekt“ gehabt. Aber so sah ich heute mal nicht aus. Deswegen konnte ich mir sein Verhalten nicht erklären und versuchte es mit einem aufmunternden „Hey, ich bin heute gut gelaunt!“-en Lächeln, welches ihn rot werden und "geschäftig" verschwinden ließ.

Jetzt habe ich noch ganze 12 Minuten Zeit, Hunger zu entwickeln… allmählich gewöhne ich mich an die Abendessenszeit „16 Uhr 30“. Heute gibt es zerstampften Hering mit anderen unverständlichen Zutaten, wie zu 100% Kartoffeln.
Abends spiele ich mit den Jungs Fußball, warum haben sie mich bloß dazu überredet? Schließlich sind schweißtriefende Männer mit Sixpack ästhetischer als meine Wenigkeit.
Hallelujah!



P.S.
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